Zur Frage, ob kiffen abstumpft

Ein Hirn, das auf Dauer mit Cannabis gespült wird, infantilisiert - und das wünscht sich auch jeder bessere Kiffer. Die Kanäle werden geöffnet, der Körper kommt wieder zu seinem Recht, die Gedanken brausen frei. So kann ich gern in Kauf nehmen, irgendwann ein paar IQ-Punkte zu verlieren. IQ misst ja nur, wie schnell man Muster erkennen kann. Kiffen entschleunigt, entspannt und macht verspielter. Bekifft durch die Stadt trödelnd, schäme ich mich, bisher alles mit scharfem, kaltem, rastlosem, unbarmherzigem Blick zerpflügt zu haben.. Ein IQ ist eine Erfindung des Staates, um uns nach Kategorien des Marktes zu markieren und auszunutzen. Als Kind hat man anfangs damit zu kämpfen, Realität und Einbildung zu unterscheiden. Kiffen sensibilisiert auf Dauer das Gehirn derart, dass die Grenze zwischen Phantasie und Realität durchlässig wird. Das ist der Preis, die Chance die in einer so hohen Schärfung der Kanäle liegt. Kiffend schottet man sich in einer synthetischen Kindheit ab, die immer realer werden kann, wenn es die Umstände erlauben. Einem so schön subjektiven, immer sterblichen Gehirn wie dem meinigen ist es total egal, ob Lust aus dem realen und irrealen Raum bezogen wird. Beide Räume prägen nur eine Seite der Medaillie der Existenz: beide Räume sind Wartezimmer einer unbekannten, unendlichen Praxis.

Wenn ein Dauerkiffer sich von seinem sozialen Umfeld zurück zieht, dann ist das kein Ausdruck einer drogeninduzierten Demenz, Psychose oder Soziopathie. Das Gras hat ihm geholfen, Dinge klarer zu sehen und er hat erkannt, dass er bestimmte Leute einfach nicht mag oder nötig hat. Marihuana versöhnt den Menschen mit seiner Einsamkeit. Von außen, aus Sicht besorgter Eltern und Freunde sieht es aus, als würde er abstumpfen, als würde ihm alles egal werden, als wäre er besessen von der Droge. Dabei erlebt er nur eine wichtige Krise, er häutet sich, er zieht um. In einem sozialen Umfeld, in dem ein Kiffer glücklich ist, weil er eine für ihn und Andere sinnvolle Funktion hat, mit der er sich identifizieren kann, in einem Umfeld das von echter Freundschaft, Liebe, Herzlichkeit, Abenteuer bestimmt ist, wird er sich - glaub ich, hoff ich - niemals distanzieren.

THC ist, im Gegensatz zum Alkohol und Tabak, kein Nervengift. Es muss eine Ganja-Lobby, eine Cannabis-Connection geben, die die Pflanze davor bewahrt, vereinnahmt zu werden von Ärzten, die Gesundheit definieren als die Fähigkeit, in unserem Gesellschaftssystem zu funktionieren. Ich ahne eine dunkle Zukunft, in der Marihuana genau so angepasst, umgewertet, ausgeschlachtet wird wie der Surrealismus. Vielleicht wird die Regierung erst das Hanf legalisieren, wenn es Pläne gibt, wie man Konsumenten gut in die Verhältnisse einpassen kann. Das wäre das Ende einer anständigen Kiffer-Kultur.