Jede soziale Norm macht den Körper nervös

Gibt es Marie noch? Gibt es Stephen und Jakob noch? Hat die Stadt sie verschluckt? Werden sie einen gemütlichen Garten finden? Könnten doch alle hier sein! Wir essen leuchtende Blumen und absorbieren leuchtende Musik und setzen uns dem Spektakel dieser kalten, glänzenden Stadt aus, die zu mir gehört wie mein Herzmuskel. Was auch immer die Meere der Zeit und des Raumes trennen, ihr könnt immer zurück in das Baumhaus kommen, das unter der Unordnung meiner Wohnung wie eine Mutter auf den Sohn wartet, der sich in irgendeinem unübersichtlichen Krieg auf der Suche nach Wahrheit in das Ende der Gemütlichkeit verliebt hat. Hier, wo die Zeit nicht verstreichen kann, weil es keinen Grund dafür gibt, hier, wo jeder seine Funktion hat, weil er genau den richtigen Körper mit den richtigen Gewürzen hat. Redet mit den Steinen, bis ihr darin mein Gesicht erkennt und ich öffne Euch die Tür.

Die blutigen Hände meiner Lunge dirigieren meinen Körper in den Takt der Musik. Meine grinsende, pausbäckige Selbstzufriedenheit ist es, die die Musik vollkommen macht. Ich erschrecke über die Möglichkeit, dass man Musik missversteht, wenn man sie nüchtern hört.

GOO von Sonic Youth ist ein stolzes Album, ein wütender Metall-Albino, der Gewitter erzeugen kann, wenn der Bürgermeister ihn nur ins Kabinett holen würde. Ich wünschte ich wäre ein bisschen entspannter, so wie Jakob. Ich habe kein Recht an der Weisheit zu nagen, die ihn auf Kurs hält. Ich hoffe er sagt, wenn ich ihn zerdrücke oder falsch anschaue, meine Bewunderung für ihn verwandelt mich. Ich hoffe, ich wirke nicht so wie ein Bürgermeister-Kandidat. Ich knutsche den Moment, indem ich mich aus ihm verziehe.
Wenn ihr glaubt, ich sehe mich über euch oder vor euch, dann kann mir meine Mutter gratulieren für so viel Selbstbeherrschung. "Endlich bist du so cool wie es sich für dein Alter gehört!" Ich werde verlegen lächeln, mich eigentlich aber schämen, dass ich nicht Lust hatte, es zu weit zu treiben. So viel Liebe, aber so wenig Gründe, sie zu verstecken.

Alle Leute die Cannabis mit Techno kombinieren, wählen bestimmt auch die SPD, weil die so charismatische Führungspersönlichkeiten wie Gabriel oder Nahles haben. Ganz klar ist, dass Cannabis nicht wegbomben will, man fühlt sich nur so "stoned", weil man die Eindrücke nicht mehr verarbeiten kann. Wenn man bekifft ist, sollte man diesen Zustand würdigen und ihn mit goldenen Zweigen umrahmen, indem man sehr subtile, differenzierte Musik hört, Musik die auch ein tieferes Interesse an den Hörer hat und nicht nur irgendwelche Plattitüden in die Ohren pumpt. Ich kann mir nicht vorstellen, bekifft aktuelle Chartmusik zu hören, so wie ich mir nicht vorstellen kann, ein Ferkel zu vergewaltigen. Was wäre ich ohne meine natürlichen Grenzen? Meine Seele ist an all diese körperlichen Grenzen gebunden.

Sobald etwas wiederholbar ist, ist es schon geronnen. Nur wenn man den Augenblick nicht festhält, kann er fließen wie ein klarer Fluss und leuchten wie ein klarer Himmel. Jemand, der an sich festhält, reduziert sich zu einer Karikatur seiner Möglichkeiten.
Die Gesellschaft behandelt die Menschen wie dumme Kinder: "Finde dich, leg dich fest, nimm die Mütze beim Essen ab, sag freundlich danke und schlürf nicht so!"

Ich bin zu träge um aufzustehen, aber der Wunsch, keine Alterungserscheinungen zu zeigen, motiviert mich, wieder zurück an den Computer zu gehen. Würde man Kindern nicht vorschreiben, wann sie ins Bett gehen sollen, würde man ihnen eine Zukunft als Amphetamin-Abhängige ersparen. "Gras wirkt umgekehrt, oder?", schaue ich ungläubig fragend, winke die Frage aber vorbei, weil sie in der Musik steht. Ich stecke bequem und stabil zwischen diesen Sätzen fest, während meine Beine nach Bewegung verlangen, ich sitze seit Stunden im Schneidersitz und mache eine Hocke in den Bildschirm rein.

Wenn Tom Waits "I'm not your fool anymore" singt, klingt er so wie ein Junge, der sich vor der Schule unter einer Bettdecke versteckt... "Ihr wollt mich nicht, weil ihr mich nicht braucht... Ihr braucht mich nicht, weil ihr mich nicht wollt"...  Wie ein Richter, der dem heulenden Junge mit großväterlicher Liebe sagt: "Du bist nicht schuldig!", weigere ich mich, der Frage, warum meine Freunde nicht da sind, Dringlichkeit zu bescheinigen. Ich gehe mit einem Spaziergang raus, ich kann die Beine hinter meinem Gesicht entspannt über die Buchstaben spazieren lassen.

Wenn du stoned bist, sorgt der Rausch dafür dass du glaubst, gerade nur berauscht zu sein in einer ganz geordneten, gewöhnlichen, nüchternen Welt. Aber das ist sie nicht. Die Droge schenkt dir nicht den Rausch, sondern die Illusion, dass du auch nüchtern sein kannst.


(Dieser Satz funktioniert nur, wenn man ihn stoned liest. Dann erscheint das, was hier in Klammern steht, wie ein Rattenfänger... oder ein Schülerloze, jenachdem wie gut die Musik ist...)

Ich hab Lust, eine Tankstelle zu überfallen, wenn ich "BB" von Psychic TV höre. Ich will eine dreckige, aggressive, kluge, sexgeile Hure sein, die in einer Männer-Gang das heiße Eisen ist. Vielleicht ist Travestie eine Erfindung von Kiffern. In der Musik ist ein Affe eingesperrt, er heult, als ob er dazu gehört. Die Motorräder werden geschrubbt, Schminke wird aufgetragen, das Abenteuer kribbelt auf unseren Gesichtern wie warmer Brauseregen.

Würde ein Mensch, der die Personalisierung meiner Lieblingsmusik ist, mich mögen? Mit einem dicken, wohlwollenden, saftigen Grinsen sabbere ich auf den Schreibtisch, schaue nach unten auf die Straße, auf der ich gerade meine Hände herumspielen lasse mit der Tastatur, wie eine Katze sich mit einer langen, trägen Ratte befreundet hat, meine Hände sind wütend, dass sie zu so einem Leben wie meinem gehören, tippen aber alles fein ab, weil sie ja nicht anders können... Meine linke Hand ist älter als die rechte... Ich finde es lustig und jetzt sehr lustig, wie meine rechte Hand manchmal nach oben tippt, um die Rücktaste zu drücken. Das Schreiben dieses Satzes war total anstrengend, weil ich immer lachen musste, wenn die rechte Hand die Rücktaste drückt, als wenn mir ein Hund mit seiner feuchten Nase ins Gesicht schnüffelt.

Ich gehe in die Pizzeria um die Ecke, darin wartet ein altes Ehepaar auf seine Bestellung, die Frau sieht so bemüht ordentlich aus wie die meisten Leute. Die Menschen leben, um ordentlich zu sein. Der Mann schaut in den Fernseher, eine Scripted-Reality läuft, ich hab das Bedürfnis ihm zu sagen, dass das alles nicht echt ist. Er sieht traurig aus, wie er seine Frau so duldet und die Security-Leute, die von der Kamera begleitet werden, wirken so bösartig und übergroß und total dümmlich, sind das schlechte Schauspieler oder echte Securities? Wie sie diesen armen, alten, hungrigen, Rausch-zerfressenen, verpixelten Mann einkreisen und ihn von oben wie die letzte Rechtsinstanz im Universum mit Zeigefinger und Notizblock und Funkgerät behämmern, ich fühle mich genau so erniedrigt von ihnen wie der verpixelte Mann auf der Parkbank da, und diese beiden Eindrücke, die ordentliche Frau und die dunklen Security-Affen, halte ich fest in meiner Hand, damit ich sie nicht vergesse, ich halte sie fest und torkle durch den Raum, ich hoffe ich nerve nicht oder stresse den Typ hinter der Theke, vielleicht denkt er ich will ihm zeigen, dass ich es eilig habe? Aber ich muss diese beiden Gedanken festhalten, sonst hab ich sie vergessen, wenn ich die fünf Minuten nach Hause gelaufen bin. Während ich durch den Raum tapse, kommen mir die Security-Leute so vor wie schwarze, hungrige Taranteln, die aus dem Terrarium heraus wollen und ich bezahle plötzlich.
Es ist toll, mein Sein einzuschubladen: das schreibende Sein, das hörende Sein, das schmeckende Sein, das Rückenschmerz-Sein... Ich bin die Sammlung all dieser Seins. Das Ego-Bewusstsein macht Inventur in einem Keller voller Seins-Gläser, eingemachte Vorurteile, mit denen man sich beschmieren kann.

Das größte Elend ist das Fehlen passender Musik, das auf dem kleinen Ausschnitt, den ich von aller Musik nur kenne, reitet wie ein besoffener alter Mann an seinem letzten Tag. Ich habe eine Packung schwarzer Pfefferkörne neben mir, in ihnen ist ein Antagonist von THC enthalten, hat man rausgefunden. Es soll die paranoiden Anteile des Rausches dämpfen, schon ein altes indisches Gedicht erzählt davon, wie Ganja belebt und Pfeffer beruhigt.

Hier bin ich und tu was ich tu, hoffend, damit ein Haus für uns gefunden zu haben, und ich sehe wie unsere Wege weit auseinandergehen müssen, wir opfern uns für keine Idee, nichtmal für uns selbst, these are the ways I feel my head. Was müssen wir wirklich tun in der Welt? Ist das hier eine Art Testament? Ich flattere hypersensibel am Mast meines Lebens, besessen von Zusammenhang und Sinn.
Ich starre in die Musik mit den Augen meiner Ohren und den Nasen meiner Ohren. Ich hänge jeden Satz wie einen Anzug in meinen Schrank, Ich vergleiche mich zu oft mit anderen Lebensentwürfen. Okay okay okay okay. Ich vergleiche meine Freunde mit den Freunden meines Vaters, bis ich merke, dass er heute keine Freunde mehr hat. Mein Vater ist ein Verlierer, der es nicht leiden kann, wenn man ihm widerspricht, ein ungebildeter, arroganter Säufer, der seine Kinder und seine Frau unterdrückt mit seiner schlechten Laune. Ich hasse ihn und wünsche ihm ein schmerzvolles, langweiliges Sterben. Versöhnlicherweise schreibe ich das zu einer Lieblingsplatte meines Vaters. Mir fällt ein Stein vom Herz, ich lächle ihm nach, ich kann mich an einen anderen Gedanken festhalten wie an den freundlichen Arsch einer Straßenbahn, der Tag ist jung, die Stadt ist hell und freundlich. Das ist auf jeden Fall eine Szene in meiner Autobiographie, in der ich in knalligen Farben zu "Louie Louie" von Iggy Pop meine Freunde mit einem riesigen, knalligen Brief einpeitsche, der dieses Buch ist. Ich fühle mich, als würde ich immer noch in der ersten Bruchbude wohnen, die ich in der Stadt gefunden habe, so als würde ich immer noch auf der Suche nach leuchtenden Leuten sein, aber ich hab sie längst gefunden, sie haben sich aber noch nicht gefunden. Legalize it now!

Was ist an einem verplemperten Leben schlimm? Was ist an einem vor sich hinstürzenden Wasserfall schlimm? Mein Vaporizer faucht unter mir und Animal Collective intensivieren das Licht der Biolicht-Birne in meinem Zimmer und ich häng meinen Oberkörper in das Rauschen wie in einen Traum. Ein angenehmes Taubheitsgefühl. Ein Lächeln küsst meine verflogene Kindheit. Die Zeit ist ein zähes, schweres Ding, das ich auf dem Rücken habe, Kunst erscheint mir grad nur noch zulässig, wenn sie im Vollrausch gemacht wurde. Alles was mir Sorgen macht, ist nur ein Kackefleck an meinem Schuh. Siehst du, wie deine Sorgen da drüben über den Zaun gucken? "Infant Dressing Table" von Animal Collective. Der Druck zwischen den Ohren ist erheblich, er hält das Gehirn fest, jetzt wird sich mein Leben verändern. Ich bin jetzt deutlich drüben, ich sollte etwas anders tun als schreiben oder?
Zerbrich den Stil, bevor er dich zerbricht. Zerschneide die Kontinuität, bevor sie dich einschnürt. Schade, dass man nicht schreibend einschlafen kann.

"Mein Blick kann doch nicht Missverständnisse auslösen!", rufe ich theatralisch und springe der helfenden Hand nach, die im Nichts verschwindet. Die Tastatur wartet fröhlich auf meine Entscheidungen.

Cannabis muss als Gast behandelt werden, der schöne Sachen aus fernen Ländern mitgebracht hat. Deine Neugier soll dir niemals peinlich sein. Es ist okay, Dinge zu probieren. Sei aber nicht so stolz drauf, wie damals als du das erste Mal Go Cart gefahren bist und du begeistert davon erzählt hast und die Oma dich ausgeschimpft hat, als niemand hingeschaut hat: "Nun ist aber mal gut, ja!!!?" Was für eine böse, kalte Frau. Wieviel ihrer Boshaftigkeit und Kälte steckt in mir? Kann ich mich von den Imperativen meines Erbguts befreien, die mich ganz und gar im Griff haben wollen? Ich möchte ein berühmter Künstler sein, um nicht ein bedeutungsloser Nichtsnutz zu sein. MUAHAHAHA! Ich mach mich über meinen Wunsch, berühmt zu werden, lustig wie über einen Behinderten im Rollstuhl. Darüber lacht man nicht!!!! MUAHAHAHA!!!!

Ich begutachte das, was mir das Gras geben könnte, wie ein Diktator, der einen Landwirtschaftsbetrieb inspiziert. Kim Jong Bartok lässt sich erzählen, was hier so produziert wird. Wenn ich daheim bin, lass ich die Fabrik bombardieren, denn ich bin eine dicke, selbstbewusste Voodoo-Prinzessin, die keinen Mann braucht. Wenn man Gedanken und Gefühle intensiver wahrnimmt, kann man dann ihre Ausstrahlungskraft und ihren möglichen Effekt auf die Zukunft besser einschätzen oder nicht? Es sind Gedanken, die in einer Reihe mit anderen Gedanken stehen. So wie das Alltags-Ich nur in einer Reihe mit vielen anderen Ich-Zuständen steht. Das Ich, was am häufigsten im Mittelpunkt des Geschehens ist, ist nicht der Anführer oder das Zentrum. Es ist einfach nur das, was am meisten Aufmerksamkeit bekommt. Es gibt noch viele andere Ich-Entwürfe. Das Gras weicht den alltäglichen Ich-Entwurf auf und gibt damit den Anderen auch eine Chance. Ich komme mir nach einem halben Jahr intensiver Beschäftigung mit Cannabis jedenfalls verändert vor, stabiler, breiter gefächert, ruhiger, aufmerksamer, selbstbewusster.

Am liebsten rede ich mit dem Mund voller Zweifel, allerdings nur, wenn auch jemand zuhört, denn allein fällt es so schwer, skeptisch zu sein.

Ich krame mir am Rand meiner Wohnung ein Nest zum Schlafen zurecht.

Meine Haltung zur Welt donnert im selben Rhythmus wie die Musik. Ich irre ein bisschen auf meinem Bett herum, eine komfortable Wüste, die bald von Beamten und Ärzten umzingelt ist. Ich fühle mich hier total wohl, an meinem Teich, ein kleiner, geduldiger Alligator, der weiß, dass hier bald die Bauwägen und Bagger und Kräne anrücken.

Die sozialen Netze ringsherum, die man bespringen kann, ganz heftig wenn man will, oder auch einfach nur als Hängematte benutzen kann, nur ein vages Gefühl davon, was man mal werden könnte. Die Menschen sollen sich einfach nur ein schönes Leben machen, sagt ein Teil von mir, der diplomatische, während ein anderer sagt: "Lasst mich bloß alle in Ruhe" und ein weiterer: "Ich wäre gern ein entspannter Caligula!" Ich trinke jedes schwarze Gebräu! Ohne ein Lachen, ohne ein Abspritzen, ohne nennenswerte Gefühle. Ich kam auf die Welt, irrte von einander widersprechenden Emotion aufgepeitscht in die Sackgasse meiner Überempfindlichkeit, blähte vor Ambivalenz über den Rand meiner Würde, trieb die Neutralität meiner Moral bis zur Totalität: was für ein Paradies! Der weiße Raum des Nichts! Das Bewusstsein und die Stühle werden hochgestellt, die Putzfrau kommt und der Kellner hat gar kein Interesse daran, dass du zahlst für dein kleines Wasser, er will einfach, dass du dich von hier verpisst. Ohne Selbstachtung, ohne den Fanatismus eines Menschen der an die Zukunft denkt, ohne all den bunten Plunder einer bunten Plunder-Gesellschaft lässt es sich gut leben, hier, auf einer kleinen, schäbigen Insel, an der alle paar Tage ein großes Boot vorbeidampft und Fischreste an den Ufern entsorgt. Zeit liegt wie zusammengelegte Hotelhandtücher herum und wartet auf Benutzung. Ich gehe ein paar Schritte zurück. "HELFEN!", ruft ein Behinderter und klettert zu dem auf der Schlachtbank gefesselten Lamm und gerät auf tödliche Weise mit dem herankommenden Metzger ineinander.

Das was dich vom Rausch trennt, ist nur die Erinnerung an deine Nüchternheit, die Musik ist verdammt laut und hell und wild, eine wütende Melancholie darin gestaut, der Rausch will mich so verändern wie die Alltagswirklichkeit mich verändert. Ich steh ganz alleine am Ende des Tages, ich setz mich an die Rutsche am Ende des Zimmers und rutsche aus der Wohnung in den glühenden, weißen Punkt, der alles ist, was ist. Das heißt: es gibt keinen Grund, an irgendetwas festzuhalten. Ich werde mich nicht für das rechtfertigen, was ich ausbrüte. Ich will mit meinen Freunden in einem Leuchtturm wohnen.