Jede soziale Norm macht den Körper nervös

Gibt es Marie noch? Gibt es Stephen und Jakob noch? Hat die Stadt sie verschluckt? Werden sie einen gemütlichen Garten finden? Könnten doch alle hier sein! Wir essen leuchtende Blumen und absorbieren leuchtende Musik und setzen uns dem Spektakel dieser kalten, glänzenden Stadt aus, die zu mir gehört wie mein Herzmuskel. Was auch immer die Meere der Zeit und des Raumes trennen, ihr könnt immer zurück in das Baumhaus kommen, das unter der Unordnung meiner Wohnung wie eine Mutter auf den Sohn wartet, der sich in irgendeinem unübersichtlichen Krieg auf der Suche nach Wahrheit in das Ende der Gemütlichkeit verliebt hat. Hier, wo die Zeit nicht verstreichen kann, weil es keinen Grund dafür gibt, hier, wo jeder seine Funktion hat, weil er genau den richtigen Körper mit den richtigen Gewürzen hat. Redet mit den Steinen, bis ihr darin mein Gesicht erkennt und ich öffne Euch die Tür.

Die blutigen Hände meiner Lunge dirigieren meinen Körper in den Takt der Musik. Meine grinsende, pausbäckige Selbstzufriedenheit ist es, die die Musik vollkommen macht. Ich erschrecke über die Möglichkeit, dass man Musik missversteht, wenn man sie nüchtern hört.

GOO von Sonic Youth ist ein stolzes Album, ein wütender Metall-Albino, der Gewitter erzeugen kann, wenn der Bürgermeister ihn nur ins Kabinett holen würde. Ich wünschte ich wäre ein bisschen entspannter, so wie Jakob. Ich habe kein Recht an der Weisheit zu nagen, die ihn auf Kurs hält. Ich hoffe er sagt, wenn ich ihn zerdrücke oder falsch anschaue, meine Bewunderung für ihn verwandelt mich. Ich hoffe, ich wirke nicht so wie ein Bürgermeister-Kandidat. Ich knutsche den Moment, indem ich mich aus ihm verziehe.
Wenn ihr glaubt, ich sehe mich über euch oder vor euch, dann kann mir meine Mutter gratulieren für so viel Selbstbeherrschung. "Endlich bist du so cool wie es sich für dein Alter gehört!" Ich werde verlegen lächeln, mich eigentlich aber schämen, dass ich nicht Lust hatte, es zu weit zu treiben. So viel Liebe, aber so wenig Gründe, sie zu verstecken.

Alle Leute die Cannabis mit Techno kombinieren, wählen bestimmt auch die SPD, weil die so charismatische Führungspersönlichkeiten wie Gabriel oder Nahles haben. Ganz klar ist, dass Cannabis nicht wegbomben will, man fühlt sich nur so "stoned", weil man die Eindrücke nicht mehr verarbeiten kann. Wenn man bekifft ist, sollte man diesen Zustand würdigen und ihn mit goldenen Zweigen umrahmen, indem man sehr subtile, differenzierte Musik hört, Musik die auch ein tieferes Interesse an den Hörer hat und nicht nur irgendwelche Plattitüden in die Ohren pumpt. Ich kann mir nicht vorstellen, bekifft aktuelle Chartmusik zu hören, so wie ich mir nicht vorstellen kann, ein Ferkel zu vergewaltigen. Was wäre ich ohne meine natürlichen Grenzen? Meine Seele ist an all diese körperlichen Grenzen gebunden.

Sobald etwas wiederholbar ist, ist es schon geronnen. Nur wenn man den Augenblick nicht festhält, kann er fließen wie ein klarer Fluss und leuchten wie ein klarer Himmel. Jemand, der an sich festhält, reduziert sich zu einer Karikatur seiner Möglichkeiten.
Die Gesellschaft behandelt die Menschen wie dumme Kinder: "Finde dich, leg dich fest, nimm die Mütze beim Essen ab, sag freundlich danke und schlürf nicht so!"

Ich bin zu träge um aufzustehen, aber der Wunsch, keine Alterungserscheinungen zu zeigen, motiviert mich, wieder zurück an den Computer zu gehen. Würde man Kindern nicht vorschreiben, wann sie ins Bett gehen sollen, würde man ihnen eine Zukunft als Amphetamin-Abhängige ersparen. "Gras wirkt umgekehrt, oder?", schaue ich ungläubig fragend, winke die Frage aber vorbei, weil sie in der Musik steht. Ich stecke bequem und stabil zwischen diesen Sätzen fest, während meine Beine nach Bewegung verlangen, ich sitze seit Stunden im Schneidersitz und mache eine Hocke in den Bildschirm rein.

Wenn Tom Waits "I'm not your fool anymore" singt, klingt er so wie ein Junge, der sich vor der Schule unter einer Bettdecke versteckt... "Ihr wollt mich nicht, weil ihr mich nicht braucht... Ihr braucht mich nicht, weil ihr mich nicht wollt"...  Wie ein Richter, der dem heulenden Junge mit großväterlicher Liebe sagt: "Du bist nicht schuldig!", weigere ich mich, der Frage, warum meine Freunde nicht da sind, Dringlichkeit zu bescheinigen. Ich gehe mit einem Spaziergang raus, ich kann die Beine hinter meinem Gesicht entspannt über die Buchstaben spazieren lassen.

Wenn du stoned bist, sorgt der Rausch dafür dass du glaubst, gerade nur berauscht zu sein in einer ganz geordneten, gewöhnlichen, nüchternen Welt. Aber das ist sie nicht. Die Droge schenkt dir nicht den Rausch, sondern die Illusion, dass du auch nüchtern sein kannst.


(Dieser Satz funktioniert nur, wenn man ihn stoned liest. Dann erscheint das, was hier in Klammern steht, wie ein Rattenfänger... oder ein Schülerloze, jenachdem wie gut die Musik ist...)

Ich hab Lust, eine Tankstelle zu überfallen, wenn ich "BB" von Psychic TV höre. Ich will eine dreckige, aggressive, kluge, sexgeile Hure sein, die in einer Männer-Gang das heiße Eisen ist. Vielleicht ist Travestie eine Erfindung von Kiffern. In der Musik ist ein Affe eingesperrt, er heult, als ob er dazu gehört. Die Motorräder werden geschrubbt, Schminke wird aufgetragen, das Abenteuer kribbelt auf unseren Gesichtern wie warmer Brauseregen.

Würde ein Mensch, der die Personalisierung meiner Lieblingsmusik ist, mich mögen? Mit einem dicken, wohlwollenden, saftigen Grinsen sabbere ich auf den Schreibtisch, schaue nach unten auf die Straße, auf der ich gerade meine Hände herumspielen lasse mit der Tastatur, wie eine Katze sich mit einer langen, trägen Ratte befreundet hat, meine Hände sind wütend, dass sie zu so einem Leben wie meinem gehören, tippen aber alles fein ab, weil sie ja nicht anders können... Meine linke Hand ist älter als die rechte... Ich finde es lustig und jetzt sehr lustig, wie meine rechte Hand manchmal nach oben tippt, um die Rücktaste zu drücken. Das Schreiben dieses Satzes war total anstrengend, weil ich immer lachen musste, wenn die rechte Hand die Rücktaste drückt, als wenn mir ein Hund mit seiner feuchten Nase ins Gesicht schnüffelt.

Ich gehe in die Pizzeria um die Ecke, darin wartet ein altes Ehepaar auf seine Bestellung, die Frau sieht so bemüht ordentlich aus wie die meisten Leute. Die Menschen leben, um ordentlich zu sein. Der Mann schaut in den Fernseher, eine Scripted-Reality läuft, ich hab das Bedürfnis ihm zu sagen, dass das alles nicht echt ist. Er sieht traurig aus, wie er seine Frau so duldet und die Security-Leute, die von der Kamera begleitet werden, wirken so bösartig und übergroß und total dümmlich, sind das schlechte Schauspieler oder echte Securities? Wie sie diesen armen, alten, hungrigen, Rausch-zerfressenen, verpixelten Mann einkreisen und ihn von oben wie die letzte Rechtsinstanz im Universum mit Zeigefinger und Notizblock und Funkgerät behämmern, ich fühle mich genau so erniedrigt von ihnen wie der verpixelte Mann auf der Parkbank da, und diese beiden Eindrücke, die ordentliche Frau und die dunklen Security-Affen, halte ich fest in meiner Hand, damit ich sie nicht vergesse, ich halte sie fest und torkle durch den Raum, ich hoffe ich nerve nicht oder stresse den Typ hinter der Theke, vielleicht denkt er ich will ihm zeigen, dass ich es eilig habe? Aber ich muss diese beiden Gedanken festhalten, sonst hab ich sie vergessen, wenn ich die fünf Minuten nach Hause gelaufen bin. Während ich durch den Raum tapse, kommen mir die Security-Leute so vor wie schwarze, hungrige Taranteln, die aus dem Terrarium heraus wollen und ich bezahle plötzlich.
Es ist toll, mein Sein einzuschubladen: das schreibende Sein, das hörende Sein, das schmeckende Sein, das Rückenschmerz-Sein... Ich bin die Sammlung all dieser Seins. Das Ego-Bewusstsein macht Inventur in einem Keller voller Seins-Gläser, eingemachte Vorurteile, mit denen man sich beschmieren kann.

Das größte Elend ist das Fehlen passender Musik, das auf dem kleinen Ausschnitt, den ich von aller Musik nur kenne, reitet wie ein besoffener alter Mann an seinem letzten Tag. Ich habe eine Packung schwarzer Pfefferkörne neben mir, in ihnen ist ein Antagonist von THC enthalten, hat man rausgefunden. Es soll die paranoiden Anteile des Rausches dämpfen, schon ein altes indisches Gedicht erzählt davon, wie Ganja belebt und Pfeffer beruhigt.

Hier bin ich und tu was ich tu, hoffend, damit ein Haus für uns gefunden zu haben, und ich sehe wie unsere Wege weit auseinandergehen müssen, wir opfern uns für keine Idee, nichtmal für uns selbst, these are the ways I feel my head. Was müssen wir wirklich tun in der Welt? Ist das hier eine Art Testament? Ich flattere hypersensibel am Mast meines Lebens, besessen von Zusammenhang und Sinn.
Ich starre in die Musik mit den Augen meiner Ohren und den Nasen meiner Ohren. Ich hänge jeden Satz wie einen Anzug in meinen Schrank, Ich vergleiche mich zu oft mit anderen Lebensentwürfen. Okay okay okay okay. Ich vergleiche meine Freunde mit den Freunden meines Vaters, bis ich merke, dass er heute keine Freunde mehr hat. Mein Vater ist ein Verlierer, der es nicht leiden kann, wenn man ihm widerspricht, ein ungebildeter, arroganter Säufer, der seine Kinder und seine Frau unterdrückt mit seiner schlechten Laune. Ich hasse ihn und wünsche ihm ein schmerzvolles, langweiliges Sterben. Versöhnlicherweise schreibe ich das zu einer Lieblingsplatte meines Vaters. Mir fällt ein Stein vom Herz, ich lächle ihm nach, ich kann mich an einen anderen Gedanken festhalten wie an den freundlichen Arsch einer Straßenbahn, der Tag ist jung, die Stadt ist hell und freundlich. Das ist auf jeden Fall eine Szene in meiner Autobiographie, in der ich in knalligen Farben zu "Louie Louie" von Iggy Pop meine Freunde mit einem riesigen, knalligen Brief einpeitsche, der dieses Buch ist. Ich fühle mich, als würde ich immer noch in der ersten Bruchbude wohnen, die ich in der Stadt gefunden habe, so als würde ich immer noch auf der Suche nach leuchtenden Leuten sein, aber ich hab sie längst gefunden, sie haben sich aber noch nicht gefunden. Legalize it now!

Was ist an einem verplemperten Leben schlimm? Was ist an einem vor sich hinstürzenden Wasserfall schlimm? Mein Vaporizer faucht unter mir und Animal Collective intensivieren das Licht der Biolicht-Birne in meinem Zimmer und ich häng meinen Oberkörper in das Rauschen wie in einen Traum. Ein angenehmes Taubheitsgefühl. Ein Lächeln küsst meine verflogene Kindheit. Die Zeit ist ein zähes, schweres Ding, das ich auf dem Rücken habe, Kunst erscheint mir grad nur noch zulässig, wenn sie im Vollrausch gemacht wurde. Alles was mir Sorgen macht, ist nur ein Kackefleck an meinem Schuh. Siehst du, wie deine Sorgen da drüben über den Zaun gucken? "Infant Dressing Table" von Animal Collective. Der Druck zwischen den Ohren ist erheblich, er hält das Gehirn fest, jetzt wird sich mein Leben verändern. Ich bin jetzt deutlich drüben, ich sollte etwas anders tun als schreiben oder?
Zerbrich den Stil, bevor er dich zerbricht. Zerschneide die Kontinuität, bevor sie dich einschnürt. Schade, dass man nicht schreibend einschlafen kann.

"Mein Blick kann doch nicht Missverständnisse auslösen!", rufe ich theatralisch und springe der helfenden Hand nach, die im Nichts verschwindet. Die Tastatur wartet fröhlich auf meine Entscheidungen.

Cannabis muss als Gast behandelt werden, der schöne Sachen aus fernen Ländern mitgebracht hat. Deine Neugier soll dir niemals peinlich sein. Es ist okay, Dinge zu probieren. Sei aber nicht so stolz drauf, wie damals als du das erste Mal Go Cart gefahren bist und du begeistert davon erzählt hast und die Oma dich ausgeschimpft hat, als niemand hingeschaut hat: "Nun ist aber mal gut, ja!!!?" Was für eine böse, kalte Frau. Wieviel ihrer Boshaftigkeit und Kälte steckt in mir? Kann ich mich von den Imperativen meines Erbguts befreien, die mich ganz und gar im Griff haben wollen? Ich möchte ein berühmter Künstler sein, um nicht ein bedeutungsloser Nichtsnutz zu sein. MUAHAHAHA! Ich mach mich über meinen Wunsch, berühmt zu werden, lustig wie über einen Behinderten im Rollstuhl. Darüber lacht man nicht!!!! MUAHAHAHA!!!!

Ich begutachte das, was mir das Gras geben könnte, wie ein Diktator, der einen Landwirtschaftsbetrieb inspiziert. Kim Jong Bartok lässt sich erzählen, was hier so produziert wird. Wenn ich daheim bin, lass ich die Fabrik bombardieren, denn ich bin eine dicke, selbstbewusste Voodoo-Prinzessin, die keinen Mann braucht. Wenn man Gedanken und Gefühle intensiver wahrnimmt, kann man dann ihre Ausstrahlungskraft und ihren möglichen Effekt auf die Zukunft besser einschätzen oder nicht? Es sind Gedanken, die in einer Reihe mit anderen Gedanken stehen. So wie das Alltags-Ich nur in einer Reihe mit vielen anderen Ich-Zuständen steht. Das Ich, was am häufigsten im Mittelpunkt des Geschehens ist, ist nicht der Anführer oder das Zentrum. Es ist einfach nur das, was am meisten Aufmerksamkeit bekommt. Es gibt noch viele andere Ich-Entwürfe. Das Gras weicht den alltäglichen Ich-Entwurf auf und gibt damit den Anderen auch eine Chance. Ich komme mir nach einem halben Jahr intensiver Beschäftigung mit Cannabis jedenfalls verändert vor, stabiler, breiter gefächert, ruhiger, aufmerksamer, selbstbewusster.

Am liebsten rede ich mit dem Mund voller Zweifel, allerdings nur, wenn auch jemand zuhört, denn allein fällt es so schwer, skeptisch zu sein.

Ich krame mir am Rand meiner Wohnung ein Nest zum Schlafen zurecht.

Meine Haltung zur Welt donnert im selben Rhythmus wie die Musik. Ich irre ein bisschen auf meinem Bett herum, eine komfortable Wüste, die bald von Beamten und Ärzten umzingelt ist. Ich fühle mich hier total wohl, an meinem Teich, ein kleiner, geduldiger Alligator, der weiß, dass hier bald die Bauwägen und Bagger und Kräne anrücken.

Die sozialen Netze ringsherum, die man bespringen kann, ganz heftig wenn man will, oder auch einfach nur als Hängematte benutzen kann, nur ein vages Gefühl davon, was man mal werden könnte. Die Menschen sollen sich einfach nur ein schönes Leben machen, sagt ein Teil von mir, der diplomatische, während ein anderer sagt: "Lasst mich bloß alle in Ruhe" und ein weiterer: "Ich wäre gern ein entspannter Caligula!" Ich trinke jedes schwarze Gebräu! Ohne ein Lachen, ohne ein Abspritzen, ohne nennenswerte Gefühle. Ich kam auf die Welt, irrte von einander widersprechenden Emotion aufgepeitscht in die Sackgasse meiner Überempfindlichkeit, blähte vor Ambivalenz über den Rand meiner Würde, trieb die Neutralität meiner Moral bis zur Totalität: was für ein Paradies! Der weiße Raum des Nichts! Das Bewusstsein und die Stühle werden hochgestellt, die Putzfrau kommt und der Kellner hat gar kein Interesse daran, dass du zahlst für dein kleines Wasser, er will einfach, dass du dich von hier verpisst. Ohne Selbstachtung, ohne den Fanatismus eines Menschen der an die Zukunft denkt, ohne all den bunten Plunder einer bunten Plunder-Gesellschaft lässt es sich gut leben, hier, auf einer kleinen, schäbigen Insel, an der alle paar Tage ein großes Boot vorbeidampft und Fischreste an den Ufern entsorgt. Zeit liegt wie zusammengelegte Hotelhandtücher herum und wartet auf Benutzung. Ich gehe ein paar Schritte zurück. "HELFEN!", ruft ein Behinderter und klettert zu dem auf der Schlachtbank gefesselten Lamm und gerät auf tödliche Weise mit dem herankommenden Metzger ineinander.

Das was dich vom Rausch trennt, ist nur die Erinnerung an deine Nüchternheit, die Musik ist verdammt laut und hell und wild, eine wütende Melancholie darin gestaut, der Rausch will mich so verändern wie die Alltagswirklichkeit mich verändert. Ich steh ganz alleine am Ende des Tages, ich setz mich an die Rutsche am Ende des Zimmers und rutsche aus der Wohnung in den glühenden, weißen Punkt, der alles ist, was ist. Das heißt: es gibt keinen Grund, an irgendetwas festzuhalten. Ich werde mich nicht für das rechtfertigen, was ich ausbrüte. Ich will mit meinen Freunden in einem Leuchtturm wohnen.

Die Matsche

1

Die Ruhe meint es ernst, ihre Leichtigkeit ist kühl,
und es gibt Grenzen und Grenzen sind - zum übertreten da.
ich will mich nicht identifizieren mit dir

der Komposthaufen ist nährstoffreich,
tropisch-üppige Früchte blühen,
der warme Dampf des Frühlings lockt
Insekten, Ratten und Raben an
wir geben dem Jazz den Siff und Sex und Punk zurück




Daniel klingelt und fragt, ob wir ein bisschen herumziehen wollen.
"Ein zwei Bier können nicht schaden!", irre ich mich.
Daniel sieht so gut in den weißen Hosen und dem schwarzen Hemd aus.

Bald werden wir hier rausgeschmissen.

Der Gedanke, die Firma in die Luft zu sprengen,
die mit dem Haus und dem Boden Profit machen will,
verstärkt wie das Gras die Wirkung der Musik


Vermatscht und verdreckt steh ich auf
und schleiche zum Supermarkt ohne Namen.
Schmalzige Weihnachtsklassiker im Radio,
die aggressive Freundlichkeit
der Supermarkt-Reklame-Stimme,
ich genieße mein Abgespaltensein
vom Hauptstrom der Stadt,

Kleine, haarige Mittdreißiger tanzen verkrampft locker
mit winzigen, überschminkten Mittzwanzigern zu den Liedern ihrer Jugend,
so dermaßen ironisch, dass ich ihnen allen den Arsch versohlen würde.

Ich ewarte dass jemand sagt, ich seh komisch aus
Ich erwarte eine Ohrfeige von meinem Stiefvater
ich schleudere einen Hammer in dein Gesicht

Aufgeweicht von Schläfrigkeit und einem zarten, matt strahlenden Kater
durch die dunklen Straßen laufend, fühl ich mich überlegen





Ich lese im Abschiedsbrief des Amokläufers von Emsdetten. Ich verstehe seinen Frust, kann mich aber nicht mit ihm identifizieren. Er wusste absolut nichts mit sich anzufangen, er hätte Punk oder Junkie oder Künstler werden können! Es ist völlig unbedeutend, was ihn dazu gebracht hat, Amok zu laufen. Jetzt ist er nur ein weiterer Verlierer, für den dieses System keinen Platz gehabt hat. Er hätte sich stärker mit sich befassen sollen, er hätte sich lieben und bilden sollen. Er gab immer nur den Anderen die Schuld, ohne sich selbst in Frage zu stellen: die typische Arroganz von Pubertierenden, die mit Anarchismus und Waffengewalt kokettieren. Er hatte weder Stil noch Geschmack, er war ein gewöhnlicher frustrierter Loser, bloß ein bisschen mutiger als wir alle, die ebenfalls unter dem Schul- und Wirtschaftssystem leiden. Ich begrüße immer solche Ausbrüche, ich kann nicht glauben, dass sie sich so selten ereignen. Ich finde immer schade, dass man die Amokläufer als Psychopathen abstempelt und immer nur ein Herz für die Opfer hat; so wird man dieser Tat nicht gerecht, so degradiert man sie zu einer banalen, durch nichts zu entschuldigenden Kriminalität. Solang man den Amoklauf nicht als vitalen, kühnen, übermütigen Anschlag auf das gesamtgesellschaftliche System sieht, als Kunstwerk, solang also die spießbürgerliche, konservative Mehrheit nur das an einem Amoklauf sehen will, was sie versteht, solang zumindest werden Schüler Tag für Tag in Angst leben müssen, dass sich unterdrücktes, angestautes, pervertiertes Leben entlädt.
Ich vermute, dass Marihuana einigen Amokläufern geholfen hätte, einen neue Perspektive auf das Leben zu finden, so wie auch bestimmte Musik, bestimmte Bücher und Filme und selbst nur Interviews mit bestimmten Menschen dazu beigetragen hätten. Was für ein Unglück, dass das Internet damals noch nicht so reichhaltig war - ja, das ist die wahre Tragödie! Niemand hat ihn mit den vielen, bunten, heilsamen Früchten vertraut gemacht, die im Wald wachsen. Man gab ihm immer nur das zu fressen, was alle anderen Kinder auch bekommen haben.

Es gibt heute keine direkte Zensur, alles, was ich toll und wichtig und lebenswert finde, ist frei zugänglich - vom Gras einmal abgesehen. Es gibt aber eine indirekte Zensur: die Ignoranz der Medien. Es ist nicht verboten, im Radio Free Jazz zu spielen, aber die allermeisten Menschen sind es nicht gewohnt, weil man sie an andere Musik gewöhnt hat, also läuft im Radio nur das, was jeder kennt, was keinen stört, weil es jeder versteht und das reibungslose Abspulen des Alltags nicht stört. So ist es mit Büchern, Filmen und so weiter. Der eintönige Mainstream sorgt dafür, dass die Menschen eintönig bleiben, vielleicht sind ihre Träume, ihre Gewaltphantasien, ihre Drogenvisionen noch interessant, aber meist ist auch da nicht mehr viel zu holen. Die Menschen liegen abgestumpft im Sessel, lassen sich von raffgierigen Krüppeln Ideale ins Gehirn peitschen und arbeiten hart und stolz daran, ihnen so weit wie möglich zu entsprechen.

Bestimmte Drogen können helfen, Normen, die das System vorgibt, zu überschreiten. Bestimmte Drogen können helfen, zu einem neuen Selbstverständnis zu kommen, eines, das ganz anders aufgebaut ist, eine ganz andere Sprache spricht, eine ganz andere Bestimmung hat als all die menschlichen Konstrukte, die ich heute im Edeka großräumig umschifft habe - auch wenn ich viele sogar fast angerempelt hätte, blieb ich ihnen doch fern, ich wäre ihnen selbst wenn ich sie verprügelt oder gefickt hätte, nicht näher gekommen. Cannabis weicht etablierte, festgebackene Konstrukte (Worte, Ideale, Gewohnheiten, Institutionen), mit denen wir auf Kurs gehalten werden, auf. Das ist eine Chance für das Individuum und eine Gefahr für das Kollektiv.







1

Seit einer Woche kein Marihuana geraucht. Ich fühle mich sehr ausgeglichen, ruhig und ernst. Ich gehe mit ein paar Leuten, die ich aus meiner Studentenzeit kenne, auf zwei, drei Bier in eine süßlich sterile Jazz-Kneipe in die Innenstadt. Die Langeweile, die ich empfinde, macht es mir unmöglich, normal an den Gesprächen teilzunehmen, ständig muss ich dazwischensticheln. Trotzdem verabschieden wir uns mit einer weichen Umarmung. Es sind gute Leute, die von der Stadt noch nicht so angeödet sind wie ich. Daheim höre ich Ornette Colemans "Chappaqua Suite", zu der man keinen Sekt verkaufen und nicht über das Studium reden kann. Ich mach mir noch einen Grünen Tee und leg mich auf den Boden und fühle mich blendend.

Robert, der Mathematiker kommt mit ein bisschen Gras vorbei (selbstangebautes aus Erfurt). Er ist einer der Wenigen, der eine Gras-Connection hat. Alle Menschen sind meine Freunde, die mir gern gutes Gras verkaufen. Robert kifft nur gelegentlich, als Belohnung für geleistete Arbeit. Ich kiffe gern regelmäßig, um ein paar Schritte von dieser tristen Stadt zurückzutreten.

Gras hebt wie Alkohol und Koffein eine Grenze auf, an die mich die Schule, die Eltern, selbst Freunde und die Musik gewöhnt haben. Es ist die Grenze zwischen "Damit kann ich mich identifizieren" und "Damit kann ich mich nicht identifizieren".

Robert möchte mir ein paar Lieder auf Youtube zeigen. Ich bin so entsetzt, dass ich ihn rausschmeißen muss. Ich kann nicht verstehen, wie man Gangsta Hip Hop oder Speed Metal oder Plastic Trash hören kann, wenn man bekifft ist. Ich würde gern den typischen Wochenend-Kiffer zwingen, sich reichhaltigen, nährstoffreichen, tropisch-üppigen Jazz anzuhören. Vielleicht muss jemand dem Jazz mal etwas Siff und Punk und Sperma und Rotze geben, um ihn aus der Hipster-Intellektuellen-Ecke herauszubekommen. Ich versteige mich gleich in der These, dass man den Zustand eines Landes daran ablesen kann, wie es in ihm um den Jazz bestellt ist. Daniel klingelt und fragt, ob wir ein bisschen herumziehen wollen. Ich hätte nein sagen sollen und in meiner Wohnung herumhängen sollen. Ich fühle mich wohl hier. Eine unsanierte Altbauwohnung, zwei Zimmer für 170 Euro. Bald werden wir hier rausgeschmissen. - Der Gedanke, die Firma in die Luft zu sprengen, die mit dem Gebäude und dem Boden Profit machen will, verstärkt wie das Gras die Wirkung der Musik. "Ein zwei Bier können nicht schaden!", irre ich mich. Daniel sieht so gut in den weißen Hosen und dem schwarzen Hemd aus.

2

Am nächsten Nachmittag stehe ich vermatscht und verdreckt auf und schleiche zum Supermarkt ohne Namen. Schmalzige Weihnachtsklassiker im Radio, die aggressive Freundlichkeit der Supermarkt-Werbesprecherin demütigt mich. Ein tolles Gefühl, so abgespalten zu sein vom Hauptstrom der Stadt, leicht verkatert vom Bier und dem ekelhaften Kickerkeller, in den es uns auf der Suche nach einem Schlaftrunk verschlagen hatte. Kleine, haarige Mittdreißiger, die mit noch kleineren, überschminkten Mittzwanzigern verkrampft locker zu den Liedern ihrer Jugend tanzen, dermaßen ironisch, dass ich ihnen allen den Arsch versohlen würde. Geplättet von Überdruss verging mir die Lust auf Alkohol, die kurze Zeit in dem Club hat mich total verstrahlt. Vielleicht fühlt es sich deshalb so an, als würde ich mit jeder Bewegung einen Bogen um die Realität der Supermarktkunden machen: mein Atem, mein Herzschlag, mein unförmiges Innenleben scheint mich fest in einer zweifelhaften Individualität zu verschnüren. Die Kassiererin, die sonst immer genervt wirkt, ist heute sehr freundlich zu mir. Es gibt wirklich keinen Anflug von Paranoia in der Luft. Einen solchen Satz kann nur jemand sagen, der auf sie wartet, so wie ein freches Kind auf die Ohrfeige des Vaters. - Ich genieße es, aufgeweicht von Schläfrigkeit und einem zarten, süßen, trägen, matt strahlenden Kater durch die dunklen Straßen zu laufen. Ich fühle mich überlegen - und traurig, dass ich den Zustand nicht mit Anderen teilen kann und wir daraus etwas machen können.

Rausch kann ein Leben nur kaputt machen, wenn man ihn ungenutzt lässt. - Zuhause angekommen, fühle ich mich total fremd in meiner Haut und Wohnung. Nach einem zwölfstündigen Schlaf wache ich butterweich und verklebt in meiner kalten, dunklen Wohnung auf und alles ist wieder gut.

Ich lese im Abschiedsbrief des Amokläufers von Emsdetten. Ich verstehe seinen Frust, kann mich aber nicht mit ihm identifizieren. Er wusste absolut nichts mit sich anzufangen, er hätte Punk oder Junkie oder Künstler werden können! Es ist völlig unbedeutend, was ihn dazu gebracht hat, Amok zu laufen. Jetzt ist er nur ein weiterer Verlierer, für den dieses System keinen Platz gehabt hat. Er hätte sich stärker mit sich befassen sollen, er hätte sich lieben und bilden sollen. Er gab immer nur den Anderen die Schuld, ohne sich selbst in Frage zu stellen: die typische Arroganz von Pubertierenden, die mit Anarchismus und Waffengewalt kokettieren. Er hatte weder Stil noch Geschmack, er war ein gewöhnlicher frustrierter Loser, bloß ein bisschen mutiger als wir alle, die ebenfalls unter dem Schul- und Wirtschaftssystem leiden. Ich begrüße immer solche Ausbrüche, ich kann nicht glauben, dass sie sich so selten ereignen. Ich finde immer schade, dass man die Amokläufer als Psychopathen abstempelt und immer nur ein Herz für die Opfer hat; so wird man dieser Tat nicht gerecht, so degradiert man sie zu einer banalen, durch nichts zu entschuldigenden Kriminalität. Solang man den Amoklauf nicht als vitalen, kühnen, übermütigen Anschlag auf das gesamtgesellschaftliche System sieht, als Kunstwerk, solang also die spießbürgerliche, konservative Mehrheit nur das an einem Amoklauf sehen will, was sie versteht, solang zumindest werden Schüler Tag für Tag in Angst leben müssen, dass sich unterdrücktes, angestautes, pervertiertes Leben entlädt.

Ich vermute, dass Marihuana einigen Amokläufern geholfen hätte, einen neue Perspektive auf das Leben zu finden, so wie auch bestimmte Musik, bestimmte Bücher und Filme und selbst nur Interviews mit bestimmten Menschen dazu beigetragen hätten. Was für ein Unglück, dass das Internet damals noch nicht so reichhaltig war - ja, das ist die wahre Tragödie! Niemand hat ihn mit den vielen, bunten, heilsamen Früchten vertraut gemacht, die im Wald wachsen. Man gab ihm immer nur das zu fressen, was alle anderen Kinder auch bekommen haben.

Es gibt heute keine direkte Zensur, alles, was ich toll und wichtig und lebenswert finde, ist frei zugänglich - vom Gras einmal abgesehen. Es gibt aber eine indirekte Zensur: die Ignoranz der Medien. Es ist nicht verboten, im Radio Free Jazz zu spielen, aber die allermeisten Menschen sind es nicht gewohnt, weil man sie an andere Musik gewöhnt hat, also läuft im Radio nur das, was jeder kennt, was keinen stört, weil es jeder versteht und das reibungslose Abspulen des Alltags nicht stört. So ist es mit Büchern, Filmen und so weiter. Der eintönige Mainstream sorgt dafür, dass die Menschen eintönig bleiben, vielleicht sind ihre Träume, ihre Gewaltphantasien, ihre Drogenvisionen noch interessant, aber meist ist auch da nicht mehr viel zu holen. Die Menschen liegen abgestumpft im Sessel, lassen sich von raffgierigen Krüppeln Ideale ins Gehirn peitschen und arbeiten hart und stolz daran, ihnen so weit wie möglich zu entsprechen.

Bestimmte Drogen können helfen, Normen, die das System vorgibt, zu überschreiten. Bestimmte Drogen können helfen, zu einem neuen Selbstverständnis zu kommen, eines, das ganz anders aufgebaut ist, eine ganz andere Sprache spricht, eine ganz andere Bestimmung hat als all die menschlichen Konstrukte, die ich heute im Edeka großräumig umschifft habe - auch wenn ich viele sogar fast angerempelt hätte, blieb ich ihnen doch fern, ich wäre ihnen selbst wenn ich sie verprügelt oder gefickt hätte, nicht näher gekommen. Cannabis weicht etablierte, festgebackene Konstrukte (Worte, Ideale, Gewohnheiten, Institutionen), mit denen wir auf Kurs gehalten werden, auf. Das ist eine Chance für das Individuum und eine Gefahr für das Kollektiv.


Dichtsein will schöngeredet werden

(1)

Ich dachte an all die heruntergewirtschafteten Gesichter in der Stadt, spürte das ganze furchtbare, sinnlose Existieren, das ich mit allem, was sonst noch existiert, teilte, begriff, dass ich Teil der riesigen, kalten, dunklen Halle des Lebens bin, die man mit unterschiedlichen Kunstgriffen so erträglich wie möglich macht, aber irgendwann doch wieder für immer verlassen muss und ich wusste um die dumme Arroganz meiner Hormone und Affekte, habe es aber trotzdem nicht geschafft, im Bett liegen zu bleiben.

So wie ich nicht über die Stadt hinaus denken kann, kann ich nicht über mein Leben hinaus denken. Die Musik schnürt die Dunkelheit um mein Haus fest, damit sie nicht davonflattert. Der neue Taschen-Vaporizer ist prima, er dampft die Essenz aus dem freundlichen Grünzeug. Dampf ist das neue arte. Viel davon am morgen schon nehmen - eine auffordernde Geste in die Dunkelheit. Darf ich bitten? Die nüchternen Lebensabschnitte klammern nur die berauschten Lebensabschnitte in Reihe zu einer Biografie. Wie Gäste einer gemütlichen Kellerparty stehen die Banalitäten meines Lebens in meiner Wohnung herum und quasseln und quasseln. Sie reichen bunte Getränke herum. Ich stehe mit einer Erektion in der Menge und denke an eine staubige Wüstenstraße, an der ich stehe und auf jemanden warte, der mich mitnimmt, mein Klappmesser in der Hose gibt mir ein Gefühl von Unnahbarkeit. Die Sonne ist grell, die Geier kreisen wie sie schon seit dreitausend Jahren kreisen, eine Sandwolke zieht sich am Horizont zusammen, ein winziger Schulbus kommt herausgefahren und wird immer größer und kommt immer näher und braust schließlich an mir vorbei, oder sitze ich drin? Ich schau ins Gesicht der Lehrerin (meine Augen glühen rot wie Heuschreckenköpfe in einer Feuerzeugflamme), ich weiß, dass es möglich ist, sie zu töten, ich stell mir vor ihr Gesicht zu vermöbeln wie mein Kopfkissen am morgen, ich schüttel es auf und ab, ich rammel es durch, ich reiß es in Stücke und blutige Daunenfedern schweben herab und die Polizei sieht den Schulbus, der im Graben liegt, vom Mörder der Lehrerin keine Spur.

Je lauter die Musik, desto mehr komm ich mir vor als würde ich im Rampenlicht stehen um Kindern eine gute Nacht zu wünschen, die sich nicht zwischen dem, was Mama und dem was Papa sagt, entscheiden können, die zu empfindlich sind, zu bösartig und instabil, die Vorbeischleicher, die Drückeberger, die Tunichtgute und Dreikäsehochs. Wütend kram ich Ohrenschmalz aus meinem Ohr, ungewiss ob die Wut überhaupt angebracht ist. Ich werde mir jetzt Nudeln machen!

Die Tatsache, dass ich lebe, macht mir immer noch etwas Angst. Ich befinde mich in einem Raum und es gibt Menschen, die etwas von mir erwarten. Was setze ich dem entgegen?

Meine Finger feiern die Tatsache, dass ich schreibe, sie sind flink und froh, während das Leben an meinem Kopf dreht, das Leben fasst mir kalt an die Innenseite meiner Oberschenkel, das Leben pustet saubere Luft durch meine Ohren, das Leben surrt wie ein transparentes Insekt im Raum, jemand wedelt mit einem rauchenden Teppich aus dem Fenster, die Szene wiederholt sich, die Szenen spielen sich auf jeder der schwankenden Tasten meiner Tastatur wieder. Ambiente Music ist die silber-glänzende Krone des Abends. Identifiziere dich mit ihr! Ein warmer Körper saugt an meinem kalten, sprudelnden Bewusstsein, saugt mich hinab, während ich schreibe.

In einer Viertelstunde muss ich los, die böse Gaya wartet am Domplatz. Ich glaub, ich weigere mich nur zu glauben, einen Fress-Flash zu haben, diesen Satz zu schreiben war ein langes Torkeln über Wendeltreppen. Die Stadt leuchtet in einem fröhlichen metallblauem Grau. Ich bin ein überempfindliches Balg. Alles was ich weiß und nicht weiß, schwenkt als schöne große Kugel an mir vorbei.

Beeindrucktsein macht müde, eine vitale, luzide Müdigkeit, ein Schleier, ein verqualmter Logenplatz. Stürmisches Herbstwetter, aber unter der Kapuze ist es gemütlich, eine Glocke die mich schützt. Es kommt mir vor, als schreie ich die ganze Gegend zusammen. Ich will mir an der Sparkasse im Rathaus etwas Geld holen und stelle fest, dass ich meine EC-Karte verloren habe. Mittagsschlaf scheint eine geeignete Strafe dafür zu sein.

Ich werde stinkig, weil das Koffein nicht wirkt. Nachschub gefällig? Der Grüne Tee schlägt mir heut irgendwie auf den Magen. Er ist sehr bitter. Ich schau mir eine Rede von Roger Willemsen an und lege mich dann auf die Hängematte, die längs hinter meinem Gesicht aufgespannt ist und genieße den Tag, baumelnd in einem Zimmer, in dem ich Musik höre und rauche. Wenn jemand fragt, warum ich schreibe: "Das ist nunmal das, was ich tue."

Das Leben ist bloß eine Tasse, die man verschüttet - und ich schäme mich nicht davor, die größte Tasse sein zu wollen. - Früher hatte ich oft Angst, beobachtet zu werden, also dass irgendjemand alles, was ich tu, bewertet und wartet, bis es einen Grund gibt, einzuschreiten. Später wünschte ich mir manchmal vor lauter Einsamkeit beobachtet zu werden. Heute bin ich soweit, dass ich glaube, mein Leben macht keinen Sinn, wenn es nicht beobachtet wird. Deshalb will ich berühmt werden: um von so viel wie möglich Augen so lang wie möglich beobachtet zu werden.

Meine Trägheit verbeult den Tisch, ein goldenes Bett, absolute Wahrnehmung des Gegenwärtigsein, kein Abgleich mit der Vergangenheit, keine Ahnung von Zukunft, fest im Moment isoliert; keine Tentakeln anderer Zeitformen glitschen in diesen runden, brodelnden Moment. - Das Zwischenreich: nicht schlafen, nicht wach sein. Ich streife im nonkausalen, überwirklichen Dschungel herum auf der Suche nach Früchten, die mir den Alltag versüßen.

Warum diese Droge nehmen? Dichtsein will schöngeredet werden, wenn es noch nicht dicht genug ist. Warum träumen? Manche Zustände sind Stoßstangen für den Kreisverkehr, Schwimmwesten im Shitstorm, Ausflüchte für Geringverdiener, Urlaubsmaßnahmen gegen die mechanische Abfolge grauer Tage, Wochen, Monate, Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte.

Rausch verändert nachhaltig, langfristig.

Das Gras will befreien von einem festen Stil. Die Worte stehen da wie kleine, fette, schwarze Häuser. Ich kann sie nüchtern umlaufen, sie stehen da und tun ihren Dienst. Ich klopfe sie ab. Eins nach dem anderen. Da steht ihr nun, wie Schmierereien an der Friedhofsmauer. Jemand klopft an die Tür, ich mach auf und Johannes steht in Unterhöschen vor mir, er sieht gut aus, aber ich weiß, dass ich ihn mir nur einbilde und er zuckt zusammen weil er denkt, ich gebe ihm eine Ohrfeige deswegen.

"Die Musik auf die ich Lust habe, gibt es vielleicht noch gar nicht: für mich die einzig mögliche Motivation, Musik zu machen", strahlt das Pathos, das ich wie eine Fahne herumschwenke, wie eine Zahnlücke, wie meine erste Haschisch-Pfeife, die ich aus Alufolie gebaut habe. Eine Behauptung wie ein Stück Schokolade.
Irgendwann in den frühen 90ern hat man Tom Waits Speed gegeben und er hat es gut vertragen. Dieser Halunke! Er hat so eine bodenständige Art, Drama zu machen. Er ist ein echter Philanthrop. Ich glaube ihm, wenn er sagt: "Ich habe nie wirklich Spaß" und jetzt die Blasmusikkapelle in einer alten Garage am Rand eines Industriegebiets. Wie kann man jemanden verehren, der sich missverstanden fühlt?

Der Künstler bastelt Blumen, pflücken muss sie jemand anders. Ja, auch Disteln an einem warmen Sumpf in der Abendsonne, auf Mutters Schoß liegen, in die Sonne schauen, an die Schule morgen denken. In meinem Nacken sitzt ein Hauptbahnhof von Zahnrädern. Die Kinovorführung kann beginnen. Wir zappen live rein: ich sitz an einem Tresen in einer Notaufnahme, der Trubel und ich haben Frieden geschlossen, wie zwei Cowboys an einer staubigen Straße: High Noon und ich erhebe mein Glas und beruhige mich: "Alles was du nicht weißt, lässt den Planeten kreisen." Ich wiederhole den Satz solang, bis ich eingeschlafen bin.

Bei luziden Träumen schnappt das Alltagsbewusstsein ins Traumbewusstsein. Auf Gras schwappt das Traumbewusstsein über die Linse des Alltagsbewusstseins. Beide Welten sind fest im Gehirn miteinander verbunden. Kurz hatte ich das Ende des Textes aus den Augen verloren, aber hier ist es wieder.

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Alles was ich zu sagen habe, steht in einer düsteren Ecke und verschränkt bockig die Arme, sendet kalte Blicke mir zu, darf ich um euch herumtanzen? Die Worte, die man mir wie lasch aufgeblasene Wasserspielbälle zuwirft, lasse ich nach oben fluppen. Die Musik klettert auf Bäume im roten Sonnenuntergang, die ganze Stadt lässt sich in den Sessel fallen, alle atmen durch und die Sterne funkeln wie der Kuss einer Mutter auf die Stirn der Stadt.

Der Rausch knetet mein Gehirn durch, als wöllte er meine Haare lila färben. Ich muss dafür bestraft werden, dass ich mich bisher nie mit Psychic TV beschäftigt habe.

Meine Unsicherheit in grammatikalischen Dingen ist ein dünnes, rissiges Fensterglas, das mich von der Außenwelt trennt.

Bekifft sein heißt, heimkommen in den gemütlichen Schoß der Hypersensibilität. THC simuliert ein kindliches Lebensgefühl. Wenn man sich mit seinen automatischen Körperfunktionen identifiziert, ist man authentisch im Sinne der Anklage. Der Körper lenkt sich selbst, ohne Zutun von Gedanken. Ein Automatismus, den kein Ideal verbiegt. Ein angenehmer Druck hinter dem Gesicht, der immer das Peak des Rausches markiert. Ein kräftiges, liebevolles Durchspülen mit Musik.

Der bekiffte Zustand ist eine Einladung, eine Frage, eine Aufforderung. Was stellst du heute mit den geweiteten Toren an? Du lüftest die Festung durch, aber wirst du auch aufräumen oder willst du nur, dass alles ein bisschen durcheinander kommt? Alles ist möglich, du brachst dich vor keinem deiner Bedürfnisse zu schämen, soweit sollte schonmal deine Selbstliebe gehen. Nimm dir, was du willst, und werde damit glücklich.

Ich möchte irgendwas in die Musik pflanzen, damit etwas Schönes draus wachsen kann. Ein rationales, zielgerichtetes, gläubiges, ängstliches Leben ist mit einer ungeheuren Anspannung verbunden, für die unser Körper nicht ausgelegt ist. Endlich mal zuschnappen, kleine Schildkröte!
"Jedem das Seine." Das sollte über der Eingangspforte jeder Droge hängen.

Es muss möglich sein, Menschen unter Gras zu einer Gemeinschaft zu binden. Träumende, die ihr Träumen organisieren. Eine gepolsterte Welt. Die Ekstase einer zusammengestauten Wachheit.
Der eindeutigen Assoziationen überdrüssig, ein alberner Karneval der Aufmüpfigkeit. Am Rand meiner Existenz, so dicht dran, dass sich mein Körper zusammenzieht, bleibt mir nichts mehr übrig als die Dosis zu erhöhen. Vielleicht bin ich ein Hausmeister, der gleich in die Steckdose pinkelt?

Wie Fahnen hänge ich meine Worte in den klaren Himmel des Unausdrückbaren. Ich bekenne mich zu dem, was ich kann und dem was ich nicht kann, ich habe so Angst nicht die Liebe und die Berühmtheit zu bekommen, die ich verdient habe. "Du spielst hier keine Rolle, deine Sehnsucht kannst du in deinen Schulranzen zurückstecken, hier in der Fabrik werden ganz andere Maschinen als du hergestellt."

An den Enden der Welt leben einsame, warme Menschen und warten auf das Zerbrechen der alten Strukturen. Man kann die Welt viel einfacher, schöner, nachhaltiger, gesünder gestalten: das Unbehagen an allem Stagnieren artikulierend, halten die Künstler das Rad des Werdens in Betrieb, das ewig andauern will ... so wie das Sein ewig unter dem eigenen Druck ein Loch in die Existenz strahlen will.

Ich führe nichts weiter im Schilde als ab und an wie ein dunkler Traum über den Tag zu stürzen. Mit meinen apokalyptischen Entspannungsübungen ziehe ich von Dorf zu Dorf. Jedes Wort zwackt nur kurz an den unheimlich elastischen Gummi des Unsagbaren. Alle Ideen verfärben den Himmel und lassen den Blick verschwimmen. Moral wächst dort, wo es keine Liebe gibt. „Allgemeingültige Werte“ wollen Menschen zusammenbringen, die nicht zusammengehören. - Ich verteile meine Ansichten wie Blumensträuße.

Die Musik (Pere Ubu) ist viel zu gut, als würde sie eine Genehmigung für mich unterschreiben, ohne zu prüfen, wer ich bin. Sie hat einen Kaffee in der Hand und hakt mich freundlich lächelnd ab.  Ich tu so, als würde ich pathetisch sein und salutiere. Die Unsicherheit an der Tastatur belustigt mich. Ich habe kein Gefühl dafür, wo im Leben ich stehe, ich weiß nur, dass alles gut gegangen ist bisher. Die Lautstärke des Müslis knuspert zu süß in meinem Mund, ich putze mir die Zähne und weiß: die Blutgefäße sind stabiler als man denkt und die Tastatur hämmert in mein Gehirn von hinten rum, ich spüre wie Hypersensibilität durch meine Gehirnadern rauscht wie runde Kinder die Rutsche im Freibad.

Die Leute wollen Arbeit, weil sie sonst nicht nachweisen können, dass sie ein Recht zu Leben haben. Es kostet Kraft, sich dieser Selbsterniedrigung entgegenzustemmen. Die Kraft wird von den Künsten ebenso genährt wie von bestimmten Drogen oder der Verehrung, die man für bestimmte Menschen empfindet. Ich möchte nicht, dass ihr mit dem Finger auf mich zeigt. Ich möchte nicht, dass ihr an euren Bärten zupft und etwas Gehaltvolles über Kunst loszuwerden versucht.

Ein neuer Schub klemmt sich meine Schläfen. Die Musik lässt den Druck vibrieren. Meine Antennen bohren sich in die Zukunft. Die ganze Welt existiert nur in einem großen Beutel, den ich immer mit mir herumschleppe, um mich jederzeit darin herumzutollen wie in einem Bällebad. Der Schub ist toll. Schwindelgefühl. Wie ein Luftballon hängt mein Selbst am Körper, den irgendwas im Boden festgemacht hat. Eingesperrt in einer engen Box, fliege ich über die weiten Felder meiner Imagination. Meine Finger tasten in die Grelle der funkelnden feuchten Tastatur. Ist das Euphorie?

Wie heißt das Kapitel, das ich mit dem heutigen Tag aufgeschlagen habe? Liege ich? Nein, ich sitze, aber ich kann mir vorstellen, dass ich liege, also sitze ich nur zur Hälfte. Ich hänge mit kindlichem Ehrgeiz jedes Wort an die Leine und Großvater steht daneben und lächelt anerkennend, allerdings so übertrieben, dass ich glaube, er macht sich lustig über mich, als würde er wissen, dass ich gleich auf die Schnauze falle. Geblendet von der Mittagssonne versuche ich guter Dinge das Fahrrad den Berg runterzulenken. Ich fliege über das Dorf, meine Augen werden größer bei der Frage was passiert wäre, hätte ich noch mehr geraucht. Eine direkte Frage in ein konkretes Gesicht gesprochen erzwingt etwas. Eine direkte Frage nur an eine Wand geschrieben lässt so viel offen.