Die Wiederbelebung

1

Versuche - um zu erfahren
ob du depressiv bist -
dir eine bessere Welt vorzustellen.

Wer die Phantasie verloren hat,
wird einknicken
und nur an die Möglichkeit des Schlimmen glauben.
Wer sich die Phantasie bewahrt hat,
kann im Traum von der Möglichkeit des Guten aufwachen.

Versuche - um zu erfahren
ob du depressiv wie deine Eltern bist -
dich auf eine gemütlichere Welt zu freuen.

Deine Eltern sind bleich,
vulgäres, gespenstisches Vieh,
bösartig gegen alles Kommende,
verachtend alle, die sich eine angenehme Zukunft noch vorstellen können.
Warum Mitleid mit ihnen haben?
Warum in die Verlorenen noch Hoffnung stecken?
Du wirst sie erst von ihrem Unglück überzeugen können,
wenn es ihnen plötzlich gegen die Stirn fährt.

Du gehst nicht ihren Weg.
Du hast nicht ihre Angst.
Nicht mehr. Nie wieder.

Stolpernd durch samtene Frühlingsdämmerung
wirst du deine ganze Lust, deine ganze Kraft ausbreiten,
besserwisserische Sprengsätze verteilen in der unheimlichen Stadt,
nützliche Heiligtümer entheiligen mit Hammer und Scheiße,
deine Initialen in die Stirne der Allervernünftigsten ritzen,
denn alles ist gut, das dich nicht einknicken lässt,
denn alles, was dich nicht einknicken lässt, gestaltet die Zukunft.

2

Ich möchte nicht mehr arbeiten,
meine Zeit und Kraft verschwenden
für die große, unbekannte Maschine,
ich möchte eine neue Maschine.

Faulheit
und Schüchternheit
und Selbsthass
und Koffeinsucht
bewahren uns davor,
vor dieser Stadt in die Knie zu gehen.

Ich möchte nicht mehr arbeiten,
meine Zeit und Kraft verschwenden
für die große, wütende Maschine,
ich will eine bessere Maschine.

Alle Grenzen sind löslich
die der Nationen,
die des Besitzes,
die der Worte,
die des Ichempfindens,
und die zwischen Wirklichkeit und Phantasie,
zwischen Wahrheit und Möglichkeit,
zwischen Heute und Morgen.

Ich werde erst arbeiten gehen,
wenn die große Maschine sich beruhigt hat,
wenn mein Leben nicht mehr abhängt von ihr,
dann erst will ich mir Arbeit suchen.

3

Ihr wollt einen Dichter selbstsicher?
Weil er euch zur Selbstsicherheit erziehen soll?
Ihr wollt einen Dichter zielbewusst?
Er soll euch zielbewusst werden lassen?

Ihr sucht Führung?
Wer seid ihr, dass ihr geführt werden müsst?

Warum versucht ihr nicht lieber
loszuwerden, was in euch geführt werden will?
Warum umarmt ihr nicht die Freiheit
die in der Ziellosigkeit der Welt auf euch wartet?

Lasst euch nicht führen!
Ihr seid nicht solche, die geführt werden müssen!

4

Hat er Brot und Haus und Arbeit
und einen der von ihm abhängig ist
wird der Mensch gemütlich
und seine Gemütlichkeit wird
erst bloß Sonntags
dann auch unter der Woche
erst bloß ihm
dann auch seinem Nachbarn
ungemütlich.

Er fühlt die Leichtigkeit seines Daseins
und ahnt in ihr eine Schwere
und er wird nervöser an jedem Tag,
an dem die Ahnung sich nicht ganz bestätigt,
denn eines Tages wird sie sich ganz bestätigen
und dann ist es zu spät
für den gemütlichen Menschen
in seinem Haus, mit seiner Arbeit
und seinem Brot
und dem der abhängig von ihm ist.

5

Es gibt einen Gottlosen
der liebt seine Kinder
der teilt sein Brot
der ist freundlich zu jedem der freundlich zu ihm ist
und der zweifelt an, wo er nicht sicher ist
und der ist sicher nur im Zwiespalt.
Der liebt den Zwiespalt
wie die Idee, dass die Welt
nur ein kleines Dorf ist
in dem jeder glücklich werden kann.
Der glaubt, dass alle Konflikte nur bestehen
weil die Menschen nicht wahrhaben wollen
dass sie alle Körper haben
mit den gleichen Bedürfnissen,
den gleichen erfüllbaren Bedürfnissen.

Dieser Gottlose sagt:
Wo der Stolz wächst, wächst die plumpe Gewalt.
Wo der Zweifel wächst, wächst die elegante.
Wo Mitgefühl wächst, wächst die liebevolle.

6

Der Staat ist eine Maschine der Fürsorge,
wurde konstruiert von Träumern,
wird bedient von Viel-Zu-Zufriedenen,
wird angebetet von denen die nicht schlafen können,
wird verflucht von denen die nicht schlafen sollen,
und wird überwacht von denen die nicht schlafen brauchen.

Der Frühling ist eine Frage
vor deren Antwort ich mich sträube,
denn mein Körper ist nicht vollständig,
solang der Staat mich nicht liebt,
solang er mich noch ausquetscht
wie einen Schwamm über Geschirr
das zerbrochen ist.

Der Staat ist eine Maschine
die niemals lieben kann,
wenn sie nicht geliebt wird
von allen die von ihr abhängig sind.

Wischen wir den Schein weg,
der uns anekelt.
Schauen wir tiefer, auf den Grund,
betrachten wir die Idee des Staates,
den Kern des Staates:
lieben wir ihn,
erinnern wir den Staat an seine Möglichkeiten.

Der Staat kann eine Maschine
der Liebe sein,
wenn Liebende ihn überwachen.

7

Keine Endlösungen mehr!
Kein Vertrauen!
Keine Anbetung!
Alles muss unter allen Umständen offen bleiben.

Ich möchte von Leuten angesprochen werden,
die mich brauchen.
Ich möchte aussehen wie jemand,
der empfindlich genug ist,
um an nichts zu glauben
und empfindlich genug,
um das Machbare zu hoffen,
das Machbare zu wollen
und zu machen.

8

Ich will, dass du nett zu mir bist,
tu nicht so, als wärst du so abgestumpft wie die Anderen.
Ich will freundlich zu dir sein,
ausschließlich freundlich;
die Zeit, in der man sich sorglos auf die Nerven gehen kann,
ist längst vorbei.
Dieses Lied leitet einen neuen Ernst ein.
Hört mich einen neuen Ernst einläuten.
Hört mich läuten, hört mich läuten:
die Zeit, in er man sich sorglos an der Nase herumführen kann,
ist ganz sicher vorbei,
ganz sicher.

Die Welt ist ein Theater,
aber können wir, wenigstens wir,
aufhören uns etwas vorzumachen?
Ich brauch dich ganz!

9

Die Abende werden geräumiger und kälter,
in bleichem Grün hängen sie da,
die Plastikrosen welk
und von allen Möglichkeiten ermüdet
stolpere ich die Bühne herunter
die mein Ich ist
und lande im Publikum
das meine Sinne sind.

Wenn man jetzt noch einen zum Reden hätte,
jetzt wo zu schweigen nur noch mehr Rede nötig macht,
jetzt wo die Anstreicher und Trommler aus ihrem Winterschlaf erwacht
und zu neuen Kräften gekommen sind und ihr finsteres Heil versprechen,
ihr süßes, finsteres Heil!

"Versprich mir nichts!
Nimm mich ernst!
Sei nett zu mir!", ruft die Kakerlake
und kriecht unters Bett zurück.