Rausch und Wahrheit

Juli, 2016
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Ich bin aufgeladen von Aufmerksamkeit. Ich bin aufgeladen von Aufmerksamkeit. Ich bin aufgeladen von Aufmerksamkeit. Ich bin aufgeladen von Aufmerksamkeit.

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Warum war die Kassiererin heute so böse und biestig? Ich habe keine Lust sie jemals wiederzusehen. So viel ekelhafte Biester überall! Wann immer sie an meinem Haus vorbeigehen, treten sie die schönen Blumen kaputt, die ich vor Jahren mit meiner Mutter angepflanzt habe. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich nochmal Lust habe, neue Leute kennenzulernen.

Das muss alles nicht so weitergehen, behauptet ein Graffiti an der Wand. Banale Sätze sind verdächtig. Manches ist banal und trotzdem wahr, auch wenn der eigene Geschmack sich dagegen sträubt. Das ist die ganze Tragik: zu leiden und zu wissen, warum, aber nichts gegen dieses Leid unternehmen zu können, nichts Grundlegendes. Wenn man sich jahrzehntelang die Welt als unveränderbar erlebt hat, fällt es schwer, sich von der Banalität der Tatsache erleuchten zu lassen, dass alle Gesetze veränderbar, alle Grenzen löslich sind, dass alles immer in Frage gestellt, verbessert oder verworfen werden kann.
Die konservativen Regierungen ernähren sich von der Unfähigkeit des Wahlvolkes, die Veränderbarkeit der Verhältnisse zu denken.
Ihre notwendige Angst vor Experimenten, das ungeschriebene Verbot sich gründlich zu entspannen, die fehlende Phantasie engt die Wirklichkeit auf eine ideologische Schaubühne ein, die das Publikum und die Darsteller vermengt.
Deshalb: alles muss in Bewegung bleiben können! Es darf auf keinen Fall eine absolute Wahrheit geben! Das Absolute muss abgeschafft werden! Sollte die absolute Wahrheit gefunden werden, muss sie unbedingt vernichtet werden.

Die Künstler müssen dafür sorgen, dass die Demokratie, die Umwelt, die Identität, die Wahrheit immerzu gestaltbar bleibt, dass nichts verhärtet zu einer Heiligkeit, einer Alternativlosigkeit. Die Künstler verteidigen die Vielfalt gegen die Monotonie, die Multikultur gegen die Monokultur. Rüdiger Safranski wirft mir vor, dass dies ein typischer Wunsch für Menschen ist, die keinen Ton angeben und auch von keinem Ton in Bann gezogen sind. Nun, wenn ich schon nicht mit der Nation mitschunkeln kann, will ich wenigstens mein Zappeln, mein Schweben, mein falsches Spucken und falsches Predigen zur Diskussion stellen.

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Mit jedem Wort, was ich schreibe, ziehe ich Fazit aus Erfurt, wobei ich mir vorkomme, als zöge ich einen Haarknäul aus einem unendlichen Abflussrohr, in dem ich seit zehn Jahren als Anwalt aller Stubenhocker wohne, die nun wirklich keine besondere Gabe haben, keinen besonderen Spleen, die nur ein bisschen zu wenig Angst haben, ein bisschen zu entspannt im Abseits sitzen und warten und begreifen, während ich im Licht einer Bio-Glühbirne meine zarten, nackten Füße betrachte und mir mit der gelben Schere, die ich schon seit der ersten Klasse habe, die Hornhaut vom Zeh raspelrapselraspel. Es ist, als hätte ich mutwillig ein Fester aufgerissen, um die davor befindlichen Blumenkästen nach unten zu befördern.

Seit ich verstanden habe, dass niemand sich wirklich ernst nehmen kann, ohne manisch zu werden, fühle ich mich erwachsen - erwachsen genug, um einen Blog über den Skandal der personalen Identität zu schreiben. Die schlimmste Eigenschaft des Menschen ist, dass er glaubt, ein festes Ich zu haben, das nicht veränderbar ist, das nicht verändert werden darf.
Wenn ich mich nicht mehr ernst nehme und andere mich folglich nicht ernst nehmen können, wenn ich also grundsätzlich nicht ernst gemeint bin, steige ich aus dem allgemeinen Theater aus: taumelnd über hunderte Buchseiten, tausende Blogseiten entfliehe ich dem Theater und kann nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden.

Sobald du die Ehrfurcht vor Worten verlierst, kommst du aus dieser grauen Vorstadt raus, die dich zerbrechen will: nicht weil sie ein echtes Interesse daran hat, dass genau du zerbrichst. Sie kennt dich nicht und will daran nichts ändern. Es ist einfach der natürliche Lauf der Dinge, dass man hier zerbrochen wird. Die Maschine läuft und sie fertigt auch dich ab. Es gibt nur einen Grund, warum sie dich nicht in Ruhe lässt: deine Gewohnheit an den bürokratischen Automatismus, der dein Ich im Innersten zusammenhält. Du könntest auch ganz anders denken und handeln.

Etwas in mir nimmt den Körper wahr, etwas in mir spürt Gegenwart in schweren Strömen durch mich pumpen, ich lass die Sprache entgleiten, denn ich, ich kann mich nicht ernst nehmen, ich, ich kann mir am Kopf kratzen und an Geld denken, ich kann auch zu einem unfreundlichen Kassierer nett sein, aber ich kann nichts davon ernst nehmen.

Obwohl mein Atem nur ein harter, biologischer Reflex ist, kann kein Ego ihn verwüsten: vielleicht ist das einzig Konstante mein biologischer Automatismus, der gelangweilt von dieser Stadt seine brave Pflicht tut; das bin ich: der Hirnstamm.

Im Rausch findet man nicht sein eigentliches Ich, man erfährt, dass es niemals ein festes, verantwortliches, wahres Ich geben kann und man hört - wenn man den richtigen Rausch erwischt hat - auf, sich mit irgendwas zu identifizieren. Die Unsicherheit, die Paranoia, die Peinlichkeiten, die Gereiztheiten, die bizarren, von Ikea-Werbung unterbrochenen Verrenkungen sind Nebenwirkung einer generellen Revitalisierung frühkindlicher Aufmerksamkeit.

Die Dinge sind wunderbar, wenn sie keine Bedeutung haben; wenn ich will, kann ich allen Leuten auf ihre Köpfe steigen und in ihre Ohren rote und schwarze Flaggen stecken. Es gibt so unendlich viele Räume zu bewohnen, es gibt unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten guter und stimulierender Dinge. Nichts davon kann man ernst nehmen. Alle tun nur so, als würden sie mich ernst nehmen, sie wissen, dass jeder ernst genommen werden will, aber wie kann ich ihnen glauben, dass sie mich nicht missverstehen, wo ich doch selbst weiß, dass es niemanden in mir gibt, der ernst gemeint und verstanden werden könnte?

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Mein Schlupfwinkel wird bald ausgeräuchert, weil der SPD-Bürgermeister nichts dagegen hat. Sie stehen schon mit ihren Baggern und Containern und Gerüsten um unser Haus, richten ihre Schaufeln und Zementmischer und Presslufthammer wie Kriegsgerät auf uns und warten auf den Schießbefehl des Chefarchitekten. Hier soll jetzt alles moderner werden und vor allem sauberer. Ich könnte mich an Anwälte kleben oder mir überlegen, was werden soll, aber was soll es bringen? Wieder in eine Wohnung? Wieder in das gleiche, zu nichts führende Leben?
Leg dich doch einfach auf den Boden, wenn die Bauarbeiter kommen, wie ein Kind, das nicht die Tür aufmachen will, weil es das Bad überflutet hat und nicht weiter weiß. Kooperiere nicht! Öffne nicht die Tür! Verliere jedes Verständnis für die Anderen! Es lohnt sich nicht zu verstehen, was die Anderen wollen! Indem du dir vorstellst, dass sie mächtiger sind, sind sie es auch. Wenn du nicht einsehen kannst, was hier vor sich geht, bist du in Sicherheit. Du wirst hier rausgeschmissen. Warum solltest du kooperieren? Warum solltest du deine Sachen packen? Du kannst genau so gut liegenbleiben. Was spricht dagegen? Die Anderen! Die Anderen in dir! Schmeiß sie raus!

Wenn man das Bewusstsein verändern kann, kann man auch die Gesellschaft verändern. Das eigene Gehirn ist ein Modell für das Gehirn der Gesellschaft. Lerne dich gehen zu lassen und sei damit ein gutes Vorbild für deine Mitmenschen. Wenn du dich beruhigen kannst, kann auch die Gesellschaft, dieses unsichtbare, in sich selbst verstrickte Ungeheuer da draußen sich beruhigen! Ich sitze auf der Türschwelle zwischen hellblauem Abend und dunkelblauer Nacht im Schneidersitz, die Augen geschlossen halluziniere ich fröhlich-kreischende Vögelschwärme über mich rauschen, es riecht nach Bioabfall, Kaffee, klammer Wäsche, Weichspüler, Aschenbecher, Marzipan. Meine Entspannung weißt jede Relevanz und Dringlichkeit von sich, ein Lastwagen kracht in Berlin in einen Weihnachtsmarkt, mutmaßlich ein terroristischer Anschlag, während ich auf einer Grünen-Demonstration gegen Abschiebungen für die Musik zuständig bin. Der süße Veranstalter kommt, als ich gerade Coltrane spiele, zu mir und ihm ist peinlich, dass er mir sagen muss, dass es Beschwerden über die Musik gibt, ich hab Lust ihn zu umarmen, mach aber stattdessen einfach ein anderes Lied an. Warum sind selbst Progressive so festgefahren in ihren musikalischen Gewohnheiten? Wenn man die Gesellschaft verändern kann, kann man auch seinen Musikgeschmack ändern. Wir müssen den nationalistischen Grießgrämern etwas Entspannung verordnen. Oder wir warten einfach auf einen barbarischen Bürgerkrieg: der gottlose Pöbel gegen die gebildeten Weicheier, Law and Order gegen Multikultur, die brutale Depression gegen weichgewordene Demokratie! Ich wische mir den Erdbeer-Schweiß meiner Metapherngläubigkeit mit einer meskalinweißen Serviette von der Stirn und rufe den Kellner, ich möchte zahlen und noch den nächsten Bus zurück nach Erfurt erwischen. Wenn man das Bewusstsein verändern kann, kann man auch Busfahrpläne ändern.

Ambivalenz ist eine magische Kraft, der man auf die Schliche kommen muss. Alles ist zugleich angenehm und unangenehm, alle Kategorien und Werte werden in einem Topf zu grauen Schleim zusammengekocht und als absolute Wahrheit verkauft, die angeblich unverwundbar machen soll. Alles was ich tu ist richtig, jede Überdosis Koffein oder Cannabis oder Dextromethorphan reduziert mich auf meine Essenz: solang ich keine Entscheidungen treffe, bin ich frei. Ich kann tun was ich will, ich kann aushecken was ich will, denn keiner sieht mich, keiner bewertet mich, keiner braucht mich.

Jonas hat Recht: in einer Stadt in der nichts passiert, ist alles möglich, weil alles nötig ist, das Publikum ist nicht wählerisch, hier nehmen sie, was wie kriegen können. Wann habt ihr euch zuletzt in diesen Schaukelstuhl gesetzt? Stellt euch nur vor, wie wir in diesem Zustand Politik machen würden! Gras macht die Welt so einseitig schön, wie die Klarsicht des Depressiven die Welt einseitig schlecht macht. Die Frage, was plausibler ist, hängt von deiner Ernährung ab. Du kannst mit deinem Magen und mit deinem Gehirn machen was du willst! Ich möchte, dass es kein Zentrum gibt, ich möchte die Regierung in mir remixen, die man installiert hat, bevor man wusste, was ich bin, bevor man wusste, wozu ich im Stande sein will. Ich weiß, wo es hingeht, ich weiß, was gut und schlecht für mich ist, mein Geschmack ist das Maß all meiner Dinge und geschlagen an das gemütliche Kreuz der Ambivalenz vollziehe ich meinen Körper und damit alles, was ich habe.

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Der Genuss von THC führt unter Umständen, die näher zu untersuchen sind, dazu, dass konservative Werte ihren Reiz verlieren. Wenn der Konservative an der Macht bleiben will, muss er unbedingt dafür sorgen, dass Cannabis illegal bleibt.

Der Staat ist menschenfeindlich, denn jemand der sich gern ausbeuten lässt, gilt als nützlicher als jemand, der gern für sich bleiben möchte. Wer allein bleiben will und den Anderen keinen Nutzen bringen will, gilt als parasitär und gefährlich, wer aber unter den unwürdigsten Bedingungen lang und hart arbeitet und sich mit einer geringen Bezahlung zufrieden gibt und sein ganzes Leben so bescheiden und friedlich wie möglich verlebt, wird als gesund und wertvoll angesehen. Die Gesellschaft hat kein Interesse am Glück des Einzelnen.

"Das Leben kann auch bloß ein Rummel sein, wenn du magst, mein Kindchen! Du musst nicht mitmachen, wenn du nicht willst!" Welche Eltern haben noch genug Liebe übrig, um so zu reden?

Die Menschen haben schon immer ihr Bewusstsein mit Substanzen verändert. Die Menschen haben sich schon immer Dinge gegönnt und Dinge verboten.

Wenn man sich verändern will, wenn man auf andere Gedanken, auf andere Handlungen kommen will, muss man sich neue Gewohnheiten ins Haus holen, Cannabis rauchen beispielsweise. Cannabis ist ein Nutzgegenstand wie ein Stuhl, eine Heizung, eine Nase, ein Pfirsich, eine Türklingel, ein Schaukelpferd, ein Helm, ein kleinerer Helm, ein Schaf und ein Pumpspeicherwerk. Zu manchem zu gebrauchen, zu manchem nicht zu gebrauchen.
Wer Freiheit will, muss auch die Freiheit der Nichtsnutze, der Ratten, der Perversen wollen. Alles andere ist Wortklauberei. Freiheit an sich ist immer ungerecht, immer unberechenbar, immer abenteuerlich. Mich hält keine Mauer und kein Schießbefehl auf, nach Spanien oder Irland zu fliegen, aber meine Armut.

Was ist Nüchternheit anders als der unwirtliche Boden, auf dem wachsen soll, was nicht wachsen kann! Der Staat als Institution der Nüchternheit macht jede Bewusstseinserweiterung zu einem terroristischen Akt und also behaupte ich, dass dieses Buch sich zu einer Kalaschnikow verhält wie ein Realschulabschluss zu einer lebenslangen Haftstrafe.
Schlafgestörte Menschen werden paranoid, verlieren ihre Empathie und ihre Orientierung. Die Nationalkonservativen profitieren natürlich davon. Wenn die Menschen nicht richtig schlafen, stehen sie auch nicht wirklich hinter den Werten, die unsere Zivilisation zusammenhalten. Jeder liberale Sozialstaat sollte ein Interesse daran haben, dass seine Bevölkerung gut schlafen kann. Schlaflosigkeit kennt kein Erbarmen.
Die Schlaflosigkeit hat die Depression geweckt, die mir meine Eltern in meine Knochen vererbt haben; wen werde ich anschreien und demütigen und terrorisieren? An wen lass ich meine Depression aus? Werde ich so kaltblütig sein, wie es mein Stammbaum mir befiehlt?
Je nüchterner ich bin, desto kaltblütiger bin ich; Cannabis ist die Droge gegen meine Kaltblütigkeit, der Gong gegen meine Überforderung mit der Innenstadt; ich spüre wie ich über den Schrottplatz gleite, den ich bewohne.

Gras ist verboten, weil es paranoid machen kann, sagen sie. Aber wäre es nicht verboten, würden viele Konsumenten nicht paranoid werden. Die Polizei sieht alles und weiß alles. Sobald man sich außerhalb der Gesetze bewegt, ticken die Uhren anders. Eine Entkriminalisierung der Droge würde auch große Teile ihrer Gefahren auf die Psyche verschwinden lassen.
Es bleibt überhaupt noch zu fragen, ob das, was Mediziner heute unter Gefahren verstehen, in einer anderen, besser funktionierenden Gesellschaft nicht eher Chancen, Werkzeuge oder einfach Charakterzüge sind, und ob bestimmte Symptome von Dauerkonsumenten wie Angst, Isolation, Wahnvorstellungen in einer anderen Gesellschaft gar nicht auftauchen würden. Wichtig ist klarzustellen: wer die Drogenpolitik liberalisiert, verändert die Gesellschaft. Junkies sind auf jeden Fall Subversive, Systemkritiker, vielleicht Propheten einer neuen Zeit, vielleicht nur Symptome einer untergehenden Ära.

Es gibt viele Vorurteile und Vorurteile sind zum Überwinden da. Cannabis macht nicht glücklich, bloß dem Glücklichen sein Glück bewusster, wenn die Unsicherheit darüber, ob man sich des Lebens freuen kann oder nicht, verschwinden. Natürlich kannst du dich freuen: du bist gesund und hast was zu tun und steckst in keiner Zwickmühle und hast wirklich keine Eile damit, dich auszuleben. Cannabis macht nicht faul, bloß für Gründe empfänglich, nichts zu tun. "Die Entspannung ist angebracht, weil mein Leben schön ist!", flüstert sich der fröhliche Grasraucher auf der Hängematte in den Mittagsschlaf. Wenn es wirklich noch etwas zu tun gäbe, würde das Kraut ihn nicht davon abhalten können. Mancher Irrenarzt behauptet das jedoch, offensichtlich aus Mangel an Erfahrung oder aus purer Bosheit. Bewusst angewandt hilft Cannabis, Ordnung und Struktur zu finden und Gewohnheiten zu ändern und damit sich selbst. "It takes a lot of time, to push away all the nonsense!": David Byrne hat es geschafft und ich hab es auch geschafft, aber du schaffst es nicht, wenn du immer noch an dich selbst glaubst!

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Mein Ich ist nur ein Programm, das dieser Organismus, in dem es steckt, entwickelt hat, um auf einer bestimmten Bahn zu bleiben. Leugne ich die bestimmte Bahn, verändert sich das Programm.
Zwingt mich ein Gesetz, ich selbst zu bleiben? Niemand kann mich zwingen, ich selbst zu bleiben. Ich kündige hiermit den Vertrag mit meinem Ich-Gefühl.

Mein Ich ist umzingelt von unendlich vielen alternativen Ichs, die alle das gleiche Recht haben wie du. "Du sitzt hier nur, weil wir dich lassen... Warum? Weil du eh bald von selbst gehst." Ich hatte gerade die intensive Vorstellung, dass mich eine alte, böse Frau mit furchtbar tiefen Falten vorwurfsvoll anschaut. Mein Schuldgefühl setzt meine Körpertemperatur auf die eines Herbst-Frosches herab. Ich starre meine Unfähigkeit, den Satz besser zu formulieren, in die Luft und beschließe, darüber einen Satz zu schreiben. Ich belächel meine Fähigkeit, alles in einem Satz ausdrücken zu wollen.

Man muss den Selbsthass pflegen, um sich niemals von einem Charakter beugen zu lassen.
Charakterzüge entgleisen, wenn man niemanden mehr imitiert.

"An wen könnte ich mich noch anpassen?", leuchtet eine sternenklare Melancholie aus meinem Gesicht.

Alles was wir unterdrücken, arbeitet in uns weiter, nimmt Anlauf, bleibt trotzdem noch aus, wartend, Kraft sparend, den richtigen Moment abwartend.

Indem ich mir nicht am Kopf kratze, weil ich nicht weiß, wer mir hier zuschaut, kratze ich mir in meiner Phantasie um so heftiger an den Kopf.

Ich genieße es, bei lauter Musik zu denken. Nur giftige Wahrheiten können sich gegen laute Musik behaupten. Philosophie und Literatur und Religion und Drogen sind nur Ersatz für laute Musik. Mit Worte kann man vielleicht überreden, aber überwältigen kann nur das Unaussprechliche der Musik.

Kaputte Musik will die Alltagssprache des Zuhörers zersetzen. - Wer sich zu stottern schämt, wer nicht in Interjektionen und Imperativen vom Frühling reden will, sollte keinen experimentellen Jazz und keine serielle Musik hören wollen.

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Ich möchte die zur Pyramide aufgebauten Sektgläser meiner Gewissheiten in einen Scherbenhaufen Ungewissheit verwandeln und zu einem quadratischen Kristall verdichten.

Nur die unvollständige Verwirrung bedrückt, die vollständige erfrischt, belebt und macht unter Umständen wild und unbeherrschbar fröhlich.

Der Künstler zeigt nie, was er ist, sondern was er sein will, also was er sucht. Wenn er sich gefunden hat, wird er eine Ware.

Man kann sich wirklich nur mit Leuten identifizieren, die auf der selben Stufe sind wie man selbst oder dort sind, wo man hin will. Deshalb macht es für die meisten Menschen keinen Sinn, Leuten wie Mick Jagger oder Tom Yorke zuzuhören.

Ja, man belügt das Gehirn, wenn man es unter Drogen setzt, aber man belügt es auch, wenn man es einem geregelten, verantwortungsbewussten, zielgerichteten Alltag aussetzt.

Frei von der Unterscheidung, was normal und nicht normal ist, befindet man sich in einem permanenten Rausch.

Wo werde ich bald wohnen? Es geht bald zu Ende hier. Ein intensives Versacken in den bunten, weichen Moment am Rand des Bettes, am Rand des Tages, am Rand einer Ära.

Das Leben wird gleich viel angenehmer, wenn man sich vorstellt, was man sich alles sparen kann.

Dass es in deinem Leben nichts zu tun gibt, ist das Fundament deiner Freiheit.

Drogen warum? Weil irgendwann die Realität aufgebraucht ist.

Alle Drogen sind ein Werkzeug, um den Intensitätsgrad des Wirklichen zu regulieren.

Die Lust, nicht zu sein, gibt es nicht. Nur die Lust, nicht man selbst zu sein.

Das grundlegende Gefühl, entfremdet zu sein, kann man sich nur abgewöhnen, wenn man Drogen nimmt, die die Gehirnsubstanz schädigen: willst du das?

Erst wenn dir alles egal ist, siehst du die Welt so, wie sie wirklich ist.

Ein Nüchterner hat nichts in den letzten Fragen zu suchen.

Den Beweis, dass du nicht verstanden hast, was es bedeutet, dass dieses Leben das Einzige ist, was dir zur Verfügung steht, erbringst du in jedem Moment, in dem du die Fassung behältst.

Wer sich an alles erinnern kann, kann unmöglich sozial und optimistisch sein.
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Das Irreale ist bedeutender als das Reale, deswegen reden so viele über das Reale und schweigen so viele über das Irreale. - Es kann nicht gut sein, so viel angestaute Kraft zurückzuhalten.

Ich glaube nicht, dass die schlimmste Eigenschaft des Menschen die Ignoranz gegenüber fremden Unheil ist, sondern die Ignoranz gegenüber dem eigenen.

Es stehen große Veränderungen bevor. Im Cannabis-Taumel gelange ich scheinbar zum grundlegenden Taumel meines Existierens, ein weiches, träumerisches, hypersensibles Taumeln.

Je tiefer die Narben sind, die unsere Paranoide Revolution unserem Heimatland zufügt, desto stabiler, weil unbestechlicher und enttäuschungsfester kann Europa werden.

Cannabis-Entzugserscheinungen sollte man am besten mit Cannabis bekämpfen.

Heißt es, meine Erlebnisse "auf" oder "unter" Cannabis haben mich stärker geprägt als mein tägliches Umfeld, zum Vorteil aller?

"Kunst hat die Aufgabe, den Menschen an seine Möglichkeiten zu erinnern.", steht an der steinernen Eingangstür meiner Träume.

Man kann sich etwas Hässliches nicht schön saufen, man kann sich nur hinter sämtliche ästhetische Kategorien saufen und alles annehmen was da ist und JA zum Hässlichen sagen. Nüchtern sein heißt: empfänglich sein für Illusionen, auf die das Ego angewiesen ist.

Nur weil man sich für seine Kunst opfert, der Kunst alles unterordnet, ist man nicht gleich ein wertvoller Künstler ist. Es ist nie gut, sich für irgendwas zu opfern, die Künstler sollten das nicht vormachen. Trotzdem würde ich gern ein absolutes Recht darauf haben, erfolgreich zu sein.

Als heiliger Nichtsnutz, dessen Verkrampftheit immer ekelhafter wird, empfinde ich jede Sekunde, in der ich empfänglich für die Erwartungen der Anderen bin, als großes Unglück. - "Drücken Sie sich mal ein bisschen missverständlicher aus! Macht ja gar keinen Spaß Ihnen zuzuhören!" - Ich liebe dich." - "Na also... huch!" - Den nächsten Gedanken schon könnte ich für immer vergessen. Überall in meinem Gehirn wartet Einmaliges aus seine Gelegenheit, alles zu verändern.

Der skeptische Künstler hat die Aufgabe, die Menschen an ihre Fähigkeit zu erinnern, sich von allem zu distanzieren, sich in Verwirrung zu verlieren und sich immer in neue Richtungen zu drehen, indem er konsequent ambivalent und losgelöst im Taumel seiner Selbstzerfleischung alle Fundamente zum Schwanken bringt und wie ein giftspuckender Kobold unter allen Brücken lauert, die uns mit den Anderen verbinden sollen. Ein Knochen und Fleisch und Blut und Seele gewordenes Vielleicht in greller, kalter Nacht, ein nihilistischer Schamane der sich über das ganze Dorf, das ganze Land erhebt.

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Ich kann mich nur leiden, wenn Leute um mich herum sind, die ich leiden kann. Der Sonntagsbraten riecht nach Ausländerfeindlichkeit. Ich schnippe mit einem Streichholz gegen das Kleinbürgertum. Panikattacken sind dicke Nachbarn, die aufgeplustert im Türrahmen stehen und vorwurfsvoll glotzen, wenn du dich eigentlich nur hinlegen möchtest.

Du hast im Leben nur eine Aufgabe: Leute zu finden, die es dir erträglich machen, ein Versager zu sein, Leute mit denen es Spaß macht, mit Pauken und Trompeten gegen die graue Mauer der Verhältnisse zu krachen. Wer unabhängig ist, hat nur eine Chance, wenn er unabhängig bleibt. Ich muss skeptisch gegenüber meinem Beruf, meinem Handwerk und meinem Arbeitsmaterial bleiben können! Mehr wünsche ich mir gar nicht, jetzt am Ende meiner Lust, auf irgendetwas anderes einzugehen als auf meine Lust, auf nichts mehr einzugehen, was mir in den Sinn kommt. Das Auslassen von Worten, das Verschweigen von Gedanken und eine plötzliche, unerklärliche, unumkehrbare Entscheidung, mich völlig loszulassen.

Meine Lederjacke versteckt meine Verzärtlichung, meine Biegbarkeit, meine Instabilität. Bloß nicht zu viel Gefühl blicken lassen.

Die selben endlos grauen, leeren Tage, jeden Tag alle Unvermeidbarkeiten von oben bis unten durchlebt. Der Rausch vergrößert die Anzahl der Möglichkeiten, die man im Leben zur Verfügung hat. Deshalb muss man sich berauschen, wenn man mit wichtigen Fragen, mit existentiellen Problemen konfrontiert ist, wenn man entscheiden, wenn man arbeiten muss. Ich stecke in keinem Beruf mehr, ich erfülle keine Wünsche mehr, ich spiele nicht mehr mit eurer Phantasie. Ich schreibe nicht durch die Brille eines Studenten oder eines Künstlers, ich bin kein Gelehrter, ich bin nicht der Sohn einflussreicher Eltern, ich stehe in keinem Lexikon, ich stecke in keiner Celebrity-Parallelwelt fest, ich bin für jeden erreichbar.

Ich fahre aus verschwommener Vergangenheit in ein dunkles Morgen hinein auf einem fiktiven Jetzt-Luftkissen. Schau! Die Gegenwart ist nur eine Idee, die du niemals festhalten wirst: deshalb kannst du auch dein Ego nicht festhalten.

Ich spüre, wie mein Bedürfnis zu entscheiden, ob der berauschte oder der nüchterne Zustand als der normale, grundlegende Hauptstrom des Lebens gelten soll, von mir davonflattert und mein Herz zieht sich etwas Gemütliches an und legt sich in das herbsttrübe Wirrwarr, das wie ein sanftes Unwetter in diesen hellen Tag zieht, den ich in meinem blauen Zimmer verbringe. Ich spüre, dass ich mit Leib und Seele Schriftsteller bin, die Musik schiebt mir Wellen der Selbstgenügsamkeit rüber wie entspannende Drinks ohne Alkohol. Aufgeregtes Nirgendsein am Rand der immerwährenden Kindheit. Was hält mich fest so zu sein wie ich bin? Hier hinten ist einfach nichts mehr! Ich lache. In dieser Kammer namens Kopf ist einfach nichts mehr!! Ich lache so heftig, dass ich mich nicht wundern würde, wenn die Wände Risse bekämen. Woher kommt diese idiotische Freude? Ich hab ein gelbes Gesicht und falle wie ein riesiger, lustiger, plantschwütiger Hund mit dem Gesicht in einen Eimer gelber Götterspeise.

Drogen verändern den inneren Spielraum wie eine Weltreise oder ein gutes Buch: manchmal kann man das, was daraus folgt, für sich nutzen oder wenigstens dulden, und manchmal nicht, je nach Droge, Dosis, Nutzer und Umgebung. Ich rechne damit, dass gleich jemand ausrastet. Vielleicht finde ich eine Wohnung, wenn nicht, wohne ich bald mit Alkoholikern und Kindergärtnern und Katzennarren auf einer höllischen Baustelle - ich werde von der Dummheit getragen, dass alles gut wird, dass sich alles schon irgendwie zum Positiven wendet. Was habe ich den Eidechsen zu geben außer diese psychedelische Kapitulation? Einfach zusammensacken und weggetragen werden. Aufhören mit Handeln, das Nirvana heraufbeschwören mit einem Holzhammer. In die Ecke gedrängt, kann der Mensch nur noch aus der Haut fahren.

Wer sind wir, wenn wir in einer Welt leben würden, in der die bisherigen Begriffe nicht mehr nötig sind? Womit könnten wir unsere alltäglichen Worte ersetzen? Denn klar ist ja, dass die Worte vom Schreibtisch eines soliden Ich-Gefühls kommen. Die Gewissheit, dass man mit dem Ego einen Wirklichkeits-Stabilisator verlieren würde, weckt in mir eine dunkle Lust; diese Stadt lässt mir nichts anders übrig, als dieser Lust auf Zehenspitzen nachzugehen. Das Ego subtrahiert Möglichkeiten. Ich möchte aus dem Katapult genommen werden und die Leute, die mit mir diese dissoziierende Droge nehmen, empfangen mich freundlich, nehmen mich vom Katapult und klopfen mir das alte Selbstverständis wie Dreck vom Anzug.

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´THC wirft das Gehirn in den Zustand zurück, in dem man war, bevor man verstanden hat, welche Funktion das Ich-Modell hat. Mit meinem rechten Zeigefinger kann ich meinen ganzen Körper zum Schwanken bringen.

Das, was der Rausch offenlegt, kann schriftlich nur komprimiert und konserviert werden, wenn das Schreiben dem Rausch auch standhalten kann. Deshalb üben, üben, üben!

Stil wächst aus einer bestimmten Haltung zum Leben. Die individuelle Biographie färbt Stil ab. Es wäre total absurd, total blöd wenn ich jetzt plötzlich sterben würde. Ich versuche darüber sachlich zu lachen - so wie Blixa Bargeld lacht, wenn er interviewt wird.

Führe ich nicht seit Jahren nur einen repetitiven Monolog vor zukünftigen Verlegern, deren gegenwärtige Gesichtslosigkeit mir das Gefühl gibt, hinter Gespenstern herzusein? Vielleicht bin ich derart unbrauchbar, dass sogar meine Unbrauchbarkeit unbrauchbar ist.

Ich fühle mich erniedrigt von jeder Situation, in der ich nicht in der Lage bin, zu schreiben, so als würde ich, wenn ich nicht schreibe, nicht richtig, nur latent existieren.

Ich muss nicht funktionieren, aber ich darf auch nicht. Andere dürfen eine Funktion übernehmen, ich darf nicht, denn man erkennt an meinem Gesicht, dass ich unzuverlässig bin und nur darauf warte, mich danebenzubenehmen, um die Aufmerksamkeit von bestimmten Jungs und Mädchen zu bekommen.

Wie lange kann mein Gehirn diese Realität halten? - Solange wie die Realität mein Ichgefühl unterhält. Das Ich verankert das Gehirn in eine bestimme Realität. Zerstöre das Ich - entspanne des Gehirn - erweitere die Realität.

Ich muss meine Unfähigkeit, das zu beschreiben, was ich beschreiben will, als Freiheit begreifen lernen. Ich darf mich nicht dafür hassen, dass mein Taumel in keine Poesie, keine Ideologie, kein Ziel passt. Solang ich genügend Grenzen habe, bin ich nicht völlig abwesend. - Mich loswerden wollen, um mehr von der Welt zu sehen und gleichzeitig mit dem Stift auf der Lauer zu liegen, funktioniert einfach nicht.

All meine Texte sind nur als Hintergrundmusik zu verstehen, die das Gespräch, dass der Leser während des Lesens mit sich selbst führt, angenehm beeinflussen sollen. Ich will nur abfärben, nicht überzeugen. Will man es wagen, mich in die Manege zu lassen? Ich wäre aber auch zufrieden, wenn ich nur ums Zelt schleichen und hier und da einen Raub begehen würde und vielleicht bastel ich an ein paar echten Schandtaten für euch und für mich. Können Krimi-Fans echte Verbrechen kunstvoll finden?

"Wichtig ist nicht, was man sagt, sondern was man nicht sagt.", behauptest du müde auf meinem Schoß fallend, die blaue Dämmerung liegt uns in den Knochen, von Ereignislosigkeit geschlagen klammern wir uns an den goldenen Plüsch unserer Selbstgespräche, die wir manchmal, so wie jetzt wie zwei sich drehende Zahnräder zusammenbringen, ich flüstere: "Aber alles was man nicht sagt, wird beeinflusst von dem was man sagt, und das was du sagst, lässt auf das schließen, was du nicht sagst. Aus dem, was du gesagt hast, spinnt man sich Dinge zurecht, die du vielleicht sagen würdest, aber nie gesagt hast. Je mehr man sagt, desto weniger wird man von Anderen zu einem runden, vollständigen Charakter fingiert." und du bist eingeschlafen.

"Wir müssen die Menschen in Arbeit bringen.", brüllt der Minister für Arbeit in die Nachrichtenkamers und mein Hund schaut mich an, grinst, als wüsste er, was ich denke, bellt und sagt brav: "Wer die Menschen in Arbeit steckt, bevormundet sie, nimmt sie an die Leine, drückt ihnen einen Sinn auf, den sie vielleicht gar nicht haben wollen, weil sie ihn nicht nötig haben, weil sie sich eben selbst drum kümmern oder gerne drauf verzichten können und auf keinen Fall einen Minister brauchen, der ihnen einen Lebenssinn beschafft, nicht wahr?" Ich kraule ihm seinen süßen Schädel und schau mir Werbung aus den 1980ern an, die Retro-Gabi67 freundlicherweise ins Internet hochgeladen hat.

Der Genuss eines psychotischen Erlebnisses kann zu neuen Erkenntnissen, Haltungen und Charakterzügen führen, die dafür sorgen, dass das Leben in eine andere Bahn kommt. Während man seinem sozialen Umfeld ausgeliefert ist und kaum wirklich entscheiden kann, wer man ist, entfernt man sich mithilfe einer Psychose aus der Welt, die zu dieser Psychose geführt hat. Drogen, die Psychosen induzieren, indem sie auf unser Neurotransmittersystem wirken, sind Werkzeuge, um das Leben psychotisch zu erweitern und zu vertiefen. Die nicht substanzinduzierten Psychosen kommen, wenn man sie nicht gerufen hat; aber wenn man eine Psychose braucht, kann man sie rufen. Es waren nicht die Götter, die man durch Drogenkonsum angerufen hat, sondern man hat umgekehrt via Gott mit den Drogen kommuniziert, also mit Möglichkeiten, die Welt zu sehen und zu verstehen und mit ihr umzugehen. In der Hoffnung, dass wir uns alle zusammensetzen und gemütlich und psychotisch werden, schicke ich dieses Buch auf die Reise.

Oft soll die Ausschüttung von Sexualhormonen bloß gegengeschlechtliche Feinde anlocken, um sie dann töten und fressen zu können. Mordlust ist lebensnotwendig, wenn man allen Glauben verloren hat. "Naja, bei dem einen so, bei dem anderen so", sag ich mit einem gelangweilten Lächeln, da das Publikum immer leiser werdend Anlauf für einen brüllenden, giftigen Wutausbruch zu nehmen scheint.

Bin ich schon so heruntergekommen, dass ich nur noch das als real bezeichne, was ich formulieren kann? Niemand kann mich zwingen, ein festes Ego anzunehmen wie einen Hochzeitsring! Jetzt erkenne ich, dass das hier ein utopischer Roman ist. Der Gedanken musste abgebrochen werden, da ich mit Grausen feststellte, dass Google ein paar meiner Cannabis-Texte verschluckt hat. Alles was ich während des Schreibens erlebt und gedacht und gewusst hab, ist für immer weg. Wenn man sich die Nutzerrechtsseiten von Google anschaut, wird einem übel. Wir sollen heimlich vernetzt werden und dann an Konzerne verkauft werden. Wirf den Drang zu Schreiben endgültig über Bord! Du musst dich komplett gehen lassen können.

Psychedelische Kunst hat in einem Land, in dem psychedelische Drogen legalisiert sind, lediglich die Aufgabe, Menschen an psychedelische Zustände zu erinnern. Psychedelische Kunst würde nicht mehr sein als eine Werbung für einen Alltagsgegenstand, wie z.B. einem Fensterputzmittel. Wenn man psychedelische Drogen konsumiert, will man sich und die ganze Welt anders wgera ed dd wdDEder und psssyychcheDKunst "is da nur im Weg,#+""""/"" pPsychedelische Kunst ist auch für nüchterne Menschen nur ein Urlaubstipp, eine psychedelische Erfahrung kann sie nicht ersetzen.

Ich lunze schonmal über den Rand der Klippe, in die ich später stürzen werde, und denke mit einem naiven Seufzer untermalt: "Och nööö!" und krieche wieder zurück ins Haus. - Ich bin eine Stoffsammlung, die sich am Leben abreiben muss. Was wird aus dem reibungsbedürftigen Körper, wenn das Leben, das ihn führt, leer ist? Kann man wissen, wer man ist, wenn man sich derartig um sich selbst dreht?

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Der Mensch ist das einzige Tier, das sich permanent beobachtet fühlt. Selbst ein Löwe im Zoo vergisst für Momente sein Ausgeliefertsein. Der Mensch spürt es jede Sekunde. Was er Selbstkontrolle nennt, ist bloß der Versuch, seine Nervosität auf einem Level zu halten, auf dem er sich nicht zum Feind seiner Mitmenschen macht. So kriecht er verbuckelt von Überreiztheit und seinem Hass auf seine Affekte durch die Ödnis, die er über fast den ganzen Erdball ausgebreitet hat..

Ein Überzeugter wirkt, wenn ich mit ihm rede, frei und stark und klug und gesund, während er, wenn ich mit ihm schreibe, oberflächlich, kaltherzig, engstirnig und wahnhaft wirkt. Bei einem Skeptiker ist es genau umgedreht.

Ein paar gute Sätze zu schreiben ist viel besser als ein philosophisches System oder eine Agenda auszuarbeiten. Mit vielen guten Sätzen mache ich mich zum Heiligen einer Religion, deren einziger Anhänger nur ich sein kann, dessen Glaube aber anderen Menschen in die Herzen strahlt.

Wahrheit ist wie Musik bloß ein Werkzeug, um bestimmte Früchte zu ernten, bestimmte Wege freizumachen und bestimmte Ärgernisse aus dem Herzen zu waschen.

Die Vögel im Park haben die selbe Bedeutung wie die Leute, mit denen ich unterwegs bin.

Faulheit darf nicht bescheiden machen.

Die Frage die sich jeder Künstler stellen muss: „Welchem Klientel willst du etwas vormachen?“

Als Musiker sollte man sich die Frage stellen, welche Wirkung die Musik, die man machen will, im Supermarkt hätte. Willst du den Leuten ein entspanntes Einkaufen geben? Willst du sie trösten? Willst du sie abhalten, bestimmte Dinge zu kaufen? Die Musik im Supermarkt verrät viel darüber, wie die Geschäftsführung die Kunden sieht.

Kunst hat die Aufgabe, die Einsamkeit der Menschen zu polstern, das Grauen der Sinnlosigkeit in eine Wonne der Sinnlosigkeit umzuwandeln mit so viel Liebe und Bosheit wie nötig.

Kunst wird erst richtig erfahren, wer keine Funktion mehr in der Welt hat. Wenn man von der Großen Maschine ausgespuckt wird, kann die Kunst den Seelenfrieden ersetzen und den ganzen Rest auch.

 Jedes Lied klingt so, als würde es den Moment untermalen, bevor ich von der Polizei angegriffen werde. Ich versuche mein Diktiergerät zu erwischen, bevor alles aus ist. Ich weiß, dass mir nichts passieren kann. Das hier ist kein Traum. Fühl ich mich grad, als würde sich jemand anschleichen? Würde ich mich erschrecken, wenn ich jetzt von irgendwem überwältigt werden würde? Bodenlose Aufregung.

Nur dumme Leute haben auf Cannabis Panik-Attacken. Sie haben nichts im Kopf, was sie der Phantasie und Empfindlichkeit, die durch den Rausch verstärkt wird, entgegenhalten können, um zu verhindern, dass der ganze Laden umkippt. Sie kommunizieren nicht gut mit sich selbst. Sie machen keine Selbstgespräche, sie sind Sklaven ihrer Gewohnheiten und wissen nichts anders zu machen als ihre Energie zu verschwenden. Sie wissen nicht, dass man unter THC in Situationen gelangt, in denen es gefährlich ist, ein mehr oder weniger rationales Gewohnheitstier zu sein.

Dumme Kiffer können sich, wenn sie berauscht sind, über ihre Dummheit nicht mehr hinwegtäuschen und es gibt nichts, was sie dagegen tun können, und wenn sie Glück haben zwingt sie jemand, mit dem Kiffen aufzuhören und ihr Leben auf die Reihe zu kriegen.

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Zwischen zwei Unendlichkeiten Nichts eingeklemmt, weiß niemand wozu das Leben gut ist. Das hier ist die Kiste, in der ich lebe, aus der ich nicht rauskomme.

Das Irrationale braucht keinen Grund, um Angst zu machen.

Unter Cannabis ist man so wie man wäre, würde man seine Selbstgespräche und Gedichte und Bekenntnisse wirklich ernst nehmen würde.

Unter Cannabis nimmt man die Worte ernster - zum Nachteil der Worte.

Es gibt keinen Gedankengang, den es nicht zu unterbrechen lohnt. Je unkonzentrierter man ist, desto größer die Chance, etwas zu finden, das wenigstens für ein paar Stunden Trost gibt.

Jede zurückgewiesene Möglichkeit arbeitet im Hintergrund des Geschehens an ihrer Durchsetzung.

Das Gefühl, irgendjemanden anflehen zu müssen und das Gefühl, sterblich zu sein, verschmelzen zu einem blauen Stern hinter meiner Stirn, der sich immer mehr aufbläht, je mehr ich an ihn denke. Wenn er platzt, bin ich aus dem Gröbsten raus.

Das Karussell meiner Vergesslichkeit will mir den Magen umdrehen, ich würde gern kotzen, stattdessen bin ich euphorisch.

Künstler, die an ihren Stil glauben, die meinen von ihrem Stil abhängig zu sein, haben keinen Sinn für das Wirkliche, bloß für das Ideal, dem sie sich verpflichtet fühlen. Ich mag die tollpatschigen Autoren, die von ihren Unzulänglichkeiten zu neuen Erkenntnissen und Haltungen getrieben werden.

Die Sensibilisierung unter Cannabis macht das Gehirn vielleicht verwundbarer - was aber kein Einwand gegen Cannabis, sondern gegen das Gehirn wäre.

Wenn ich mal alt bin, werde ich mich nur vom Selbstmord abhalten können, indem ich meinen Körper nicht ernst nehme. Meine Aufgabe ist es, heute schon den Sturz abzufedern, den ich später erleiden muss.

Todesangst distanziert vom Leben.

.Wer sich bei „Help the lonely child“ von Sevage Rose nicht vorstellen kann, eine dicke, schwarze, herzlich-traurige Frau zu sein, der hat absolut kein Recht, über Rassismus zu reden. Ich schwenke meinen dicken, schwarzen Arsch und trällere meine echte Traurigkeit in die Nacht und gleich muss ich heulen... Help the lonely child... help the lonely child...

Der Sprung von „Rock around the clock“ zu „Lucy in the sky with diamonds“ ist bedeutend kleiner als der Sprung von „Like A Rolling Stone“ zu „Dazed and Confused“. Heute sagt Robert Plant, Rockmusik ist nur noch ein lasches Plagiat ohne gegenkulturellen Anspruch und ich denke mir: das hätte er auch nach dem Ende von Nirvana schon sagen können.

"Alles nur eine Frage der läppischen Geduld.", hat jemand in unser Treppenhaus geschrieben. Ich schreibe darunter: "Brian Eno hat ein neues Album veröffentlicht."

Was nach dem Tod passiert, passiert sowohl nach dem Selbstmord wie auch nach dem unfreiwilligen Tod. Der Verweis darauf, dass es ungewiss ist, was nach dem Tod kommt, hat noch niemanden abgehalten, sterben zu wollen. Im Gegenteil.

Wirre, experimentierfreudige, undefinierbare Musik mit Leib und Seele verinnerlichen heißt, hinzunehmen, dass die Welt chaotisch ist und das Chaos die stabilste aller Harmonien ist, heißt unempfänglich zu werden für Ideale, heißt toleranter und freier zu werden, heißt über mehr Möglichkeiten zu verfügen.

Traue keinem Depressiven, der dir übel nimmt, dass du dich nicht runterziehen lässt.

Nur der Schlaflose versteht, dass die Qualität eines Raumes allein von seinen Lichtverhältnissen abhängig ist.

Wie ein kleines Kind heulend alles zurückweisen, worin man sich bisher verstrickt hat. Nur der Tod ist ein besserer Trost.

Es scheint, dass manche Drogen dich von der Illusion, dass das Leben manchmal banal sein kann, befreien wollen.

Alles kann man biegen.

Der Mut zum Wahnsinn wird genährt von der Überzeugung, mit dem Wahnsinn etwas besseres anfangen zu können als die anderen Irren.

Wenn man ein echtes Problem hat, sollte man Cannabis rauchen und herauszufinden, ob das Problem behoben werden sollte oder nicht.

Wichtig: nicht Scham verwechseln mit dem Ärger darüber, dass die Anderen nicht akzeptieren wollen, dass man sich verändern muss.

Ich hab Lust mir vorkzumachen, dass die Realität nur eine Fiktion ist, die als Ruhepolster dient, damit das Gehirn die eigentliche Realität, die in den Träumen stattfindet, ertragen kann.

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Nicht zu wissen was man schreiben soll, ist die beste Ausgangsposition. Das Schreiben dieses Satzes soll meinen Lebensstil legitimieren. Du musst loslassen, du musst nicht immer der Dichter sein, lass los, nein ich halte mich hier fest, ich versacke nicht, ich erkenne, dass ich die Klugheit meiner Mutter habe und mich an dieses Schreiben wie an eine aus einem fliegenden Helikoptor wirbelnde Strickleiter klammere und mein Herz aufgeregt höherspringt, wenn ich daran denke, dass ich nichts mehr zu schreiben habe.

Alles trifft. Jedes Wort gräbt sich wie eine Beleidigung in mein Herz, jede Behauptung ist eine Last, jede Aussage will meine körperliche Substanz ruinieren, jeder noch so banal daherkommende Liedtext scheint mich brechen zu wollen, alles was ich sehe erinnert mich an das, was ich nicht bin, alles woran ich mich erinnere und alles was ich mir wünsche erinnert mich an das, was ich nicht bin. Meine Kopfschmerzen, meine Langeweile erinnern mich an das, was ich nicht bin. Wo stecke ich? Es ist unmöglich zu wissen, wo man steckt.

Ich fühle mich wie dicker Mann, der auf einem weichen Feld läuft. Der Park kommt mir wie ein riesiges Wohnzimmer vor,der Rasen ist der Teppich, die Bäume sind die Möbel, der dunkelblaue Himmel die Zimmerdecke, alles wirkt so, als wenn man sich hinlegen soll. Flimmerndes Graublau lässt den präfrontalen Kortex zittern und glühen, die Euphorie die dabei entsteht zwingt mich dazu, etwas zu trinken. Ist das die Polizei dort vorn? Gehen wir grad wo hoch oder wo runter? Wir werden belauscht von den Leuten, die auf einem der Balkons da oben eben mit eeden aufgehört haben. Ich rufe laut: „Herr Lehrer, krieg ich ne 1, wenn ich meinen Wortschatz kaputt mache?“ und Jakob antwortet: „Ja klar, sowas sollte belohnt werden.“  und ich sag: „Dankiiii. Tadatadata-dadankus mankus.“

Auf der Suche nach Gedanken, die den Ausweg aus dieser cannabinoiden Euphorie für immer verstopfen. - Und auf der anderen Seite die Gelassenheit eines insomnischen Schulschwänzers, der süchtig nach guten Büchern in den grauen Himmel starrt. Jede meiner Drogenerfahrung ist gekoppelt an Gedanken über die Drogenerfahrungen berühmter Schriftsteller und Musiker. Ohne Orientierung komm ich mir dumm und leer vor.

Man hat ja nur etwas gegen die Rechte Homosexueller, weil man sich nicht vorstellen kann, in jemanden vom gleichen Geschlecht verliebt zu sein. Dieses Unvermögen interpretieren die Leute als Beweis der absoluten Unnatürlichkeit von Homosexualität. Als gäbe es in der Natur bloß den einzig wahren Geschmack, das einzig wahre Tun!

Die Frage,warum ich Drogen nehme, offenbart unter Drogeneinfluss einen Abgrund, der dem Rausch erst seine Struktur gibt.

Von Vergangenheit geblendet und von Zukunft erdrückt. Der taumelnde Innenraum.

Mit Ausrufezeichen der Katatonie um mich schlagend, geschmückt mit einem aus seiner Balance gerutschtem Gesicht, das gestempelt werden will, getragen von weicher Einsamkeit zum fröhlich-sprudelnden Wasserfall im Stadtpark unter einem rosa-glühenden Himmel.. Ich fühle mich wie in einem alten Element-Of-Crime-Song, den ein schlafloser Ambient-Tüftler durch den psychedelischen Wolf gekurbelt hat. Hier gibt es nichts zu reipßen, hier kannst du nicht tanzen.

Ein freundliches Gesicht nickt den Tag zurück in das Körbchen, aus dem er geschlürft kam.

Versuche dich durch was auch immer zu deinen schönsten Hoffnungen und schönsten Verzweiflungen zu ermutigen.

Wer alles gesehen hat, verwandelt sich - abhängig vom Musikgeschmack - in einen apokalyptischen Engel oder einen anämischen Dämon. Sie entscheiden aktiv oder passiv über die Struktur des andrängenden Zusammenbruchs der Zivilisationen.

Beschwöre so verkrampft und ausdauernd wie möglich deine Unsicherheit, die abartige Leere jenseits der Worte, dein teilnahmsloses Gesicht und das Loch, das deine kalte Sucht nach Begriffen in deine Seele gefressen hat - da es mit nichts mehr zu stopfen ist, bist zu für immer zum Taumel verdammt.

Deine Einsamkeit panzert deine Gefühle in ihrem Widerstand gegen die Welt.

Der Unterschied zwischen Anfällen von Übersensibilität und Anfällen von Paranoia ist subjektiv. Erstere wecken das Gefühl, erweitert zu sein: ich fühle mich klüger, feiner, tiefsinniger als vorher. Der medizinische Begriff "Paranoia" funktioniert nur unter der Annahme, dass ein Mensch bestimmte, klar beschreibbare Grenzen der Wahrheit überschreiten kann, ohne die dabei erfahrene Irreationalität als solche zu begreifen und zu handhaben. Die Definition dieser Grenze ist subjektiv und bleibt es, solang die Gemeinschaft, der Staat, die Medien, die Religion, die Wissenschaft keinen Weg gefunden haben, allen Menschen das gleiche Erleben einer gleichen Grenze zwischen Realität und Irrationalität zu ermöglichen. - Leider kann man als skeptischer Mensch nur mit anderen skeptischen Menschen darüber entspannt und offen reden. Wenn ein Mensch mit Überzeugungen unter Seinesgleichen einen Gesprächspartner sucht oder an einen Skeptiker gerät, finden Beide im Anderen nur Konkurrenten oder mögliche Mitstreiter, während es dem Skeptischen nicht um ein Endziel, nicht um feste Begriffe, nicht um Regeln und Formeln geht.

Wie traurig, dass ich niemandem die Schuld geben kann, dass ich nicht böse genug bin. Es ist die Unfähigkeit, einen Schritt nach vorn zu gehen, aus Angst davor, alles zu verlieren. Nicht zu wissen, warum man nicht augenblicklich zum Monster wird, ist ein gutes Zeichen. Die Angst vor dem Zusammenbruch ist ein Notausgang-Schild, das nicht immer leuchtet. Mit meiner Einsamkeit schneide ich ein böses Grinsen in diese schöne Welt.

Eigentlich habe ich dieses Jahr nur meine Liebe beim hoffnungslosen Blühen beobachtet und währenddessen versucht mich aus meinen Krämpfen zu meditieren: was übrigens - wie man vielleicht selbst diesem Satz anmerkt - nicht geklappt hat.

Sammle genug Drogen-Erfahrungen, damit du weißt, unter welcher Droge du sterben willst.

Bekifft sein heißt, eine Negativversion eines Schlafwandlers zu sein: du wachschlummerst. Du bist ein Träumender in einer Wachwelt, während du im gewöhnlichen Traum ein Träumender in einer Traumwelt bist.

Man muss schwelgerisch urteilen, nicht rational. Mit den Werkzeugen, die dir die bürgerliche Gesellschaft gegeben hat, kannst du dir nur ein bürgerliches Leben zimmern. Wenn du zu wenig Geld und genug Anstand hast, wirst du dich nach anderen Werkzeugen umsehen. Warum nicht solang wachbleiben, bis es dir falsch erscheint, irgendein Werkzeug zu benutzen.

Erst wenn jedes Problem an einem guten Platz ist, hat man das Leben im Griff.

Echte Euphorie führt zu Gleichgültigkeit dem Tod gegenüber. Es ist nicht schlimm, dass dieses tolle, unsichere, Spaß und Ärger bereitende Leben in den nächsten Sekunden aufhören könnte. Ob das hier nun eine Ewigkeit oder nur noch ein paar Sekunden geht, ist total egal. Wenn man ekstatisch lebt, hat der Tod keine Bedeutung. (Die Schwärze des ganzen Universums ist nötig, um dies adäquat zu unterstreichen.) Es gibt keinen Grund, den Abgrund zu fürchten.

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Die Realität ist ein open-source-Programm. Entweder du schaltest "dich" in das Programm oder nicht. Die Gesellschaft bohrt Löcher in das organische, virtuose System deiner Potentiale oder reduziert dich immer mehr zu einem Roboter, der sich von der Energie ernährt, die die Verwesung der schwarz in seinen Zellen drückenden Lebensgier freilässt.

Hab ich mich geöffnet oder verschlossen? Wenn man sich nicht mag und versucht, von sich loszukommen, mit Worten, mit lieben Freunden, mit einer Karriere, und es nicht funktioniert, weil man zu schwer, zu sperrig, zu verklemmt ist, wenn man sich mit 29 Jahren immer noch von seinen Eltern beobachtet, abgewertet, lächerlich gemacht fühlt, wenn ein warmes, leuchtendes Zentrum im Leben fehlt, ein Fleckchen Sicherheit, Ruhe, Liebe, kann man sich tatsächlich mit Haschisch oder Gras oder Hustenstiller oder Butandiol entkrampfen, beruhigen, erwärmen. Das Königreich ist in dir! Lass deine Sehnsucht nicht in den Himmel oder ins Erdreich steigen, denn tief in dir ist dein heller, unzerstörbarer Mittelpunkt, von dem alles ausgeht." Wann hat das Zitat begonnen? Aus wessen Mund kommt es?

Es ist nicht mehr so angenehm, mich treiben zu lassen im Rausch. Das Schreiben hilft, den Rausch auf einer bestimmten Bahn zu halten, um nicht angegriffen zu werden von wirklich bösen Gedanken. Ich spüre mit jedem Wort, wie ich mich von etwas in mir ablenke, das ich hasse und das mich hasst. Und je weiter ich von mir entfernt bin, desto weniger Lust habe ich, etwas zu schreiben, etwas darzustellen, jemanden zu belügen. Ich bin glücklich, wenn ich mit dem Kater im Garten spiele, mich um die Hühner im Hof kümmere und mit Fabian, den Unberührbaren, etwas unternehme. Liebe ist eine Brücke ins Unbekannte. Ich würde ein Massaker veranstalten, wenn es mich dazu befähigen würde, einen Text zu schreiben, der meine Traurigkeit angemessen wiedergibt, aber ich bin nichtmal in der Lage, meine Eltern anzuschreien.

Meine Schlaflosigkeit, mein Cannabis-Konsum, mein Unvermögen, eine klare Funktion im Bürgertum zu übernehmen sind die drei wichtigsten Faktoren, die verhindern, dass ich abstumpfe. Vielen Menschen mag mein Lebensstil destruktiv, krank, dumm oder böse erscheinen, doch er verschafft mir einen unverfälschten, ideologiefreien, intuitiven Zugang zu meinen Gefühlen und damit zu meinem Körper. Die Härte und Kälte, die man mir anerzogen hat, verlieren im insomnischen, cannabinoiden und anarchistischen Rausch ihre Selbstverständlichkeit, ihre Allgemeingültigkeit. Wenn man über zwei Jahrzehnte mit Müh und Not an gewisse Standards, Ideale und Gefühle gewöhnt wurde und sich damit niemals mit Herz und Blut identifizieren konnte (weil immer irgendein Widerstand von Innen gewirkt hat), kann man nur daran leiden und hoffen, dass man immer mehr abstumpft, oder man kann sich mit einer plötzlichen oder allmählichen Hypersensibilität aus seiner vorbestimmten Bahn hebeln. - Die Frage, welche Alternative sich zur emotionalen Abflachung bietet, ist die wichtigste Frage, die man sich gegen Ende seiner zwanziger Jahre stellen kann.