Zerrüttet

1

Ein Leben in Zweifel, auf Distanz, in der Fremde, in der Schwebe, in Bewegung muss möglich und angenehm sein.

Ich fühle mich gerade so klar, so sicher, so weise, dass ich mir vorstelle, wie ich gleich mit dem Oberkörper durch den Glastisch, vor dem ich sitze krache und sterbe und für immer tot bin.

Weitsicht macht panisch. Besinnungslos werden ist die Utopie jeden Nachmittags hier. Irgendetwas Böses breitet sich hier aus und verfestigt sich seit Jahren, seit vielen, traurigen Jahren im unteren Mittelstand, erniedrigende Kleinstjobs haben uns gelehrt, wie böse der Mensch noch immer ist. Die Gemütlichkeit, aus der heraus diese Demokratie gestaltet werden sollte, können sich immer weniger Leute leisten. Wir können gar nicht panisch genug sein angesichts der gigantischen Depressionen, die auf uns zugerollt kommen.

Mir ist das Hauptproblem eben aufgegangen: die Menschen leben nicht gern genug, sonst würden sie sich gegen ihr Unglück viel leidenschaftlicher wehren.

Der Grund, weshalb viele Menschen depressiv werden: es ist so schrecklich einfach. Man muss die Dinge nur so ernst nehmen, wie sie es verdienen. Viel schwieriger ist es, die Dinge leichter, lustiger zu nehmen, zu allem eine Distanz zu halten und sich so wenig wie nur möglich zu entscheiden. Ich will irgendwo einen stabilen Platz finden, unter einem Torbogen oder auf dem Friedhof leben.

Ich träume viel in den letzten Tagen. Ich bin immer in Bewegung, an der frischen Luft, auf Reisen, in großen Hotelanlagen geistere ich herum, wie in einem Schulgelände, das ein Krankenhaus ist, in dem alle Menschen wohnen die ich bisher kennengelernt habe. Weite Straßen, sternenklare Nächte, jeder Mensch hier hat eine Funktion, alles hat eine Bedeutung, aber die führt sich nicht wie ein Holzhammer auf, der benutzt werden will, sie liegt einfach in der Luft und will wahrgenommen, aber nicht unbedingt benutzt werden.

Schwein. - Es ist deprimierend, einem adipösen, alten Fließbandarbeiter zuzusehen, wie er sich auf Arbeit mit Rückenschmerzen und Migräne und Atemproblemen abplagt, nur um ein bisschen Geld mit nach Hause zu nehmen, um sich täglich sein mieses Fressen und seine lieblos eingerichtete Wohnung leisten zu können: er lebt für seine Arbeit, er kauft Zeugs, damit er arbeiten kann, er schläft, damit er morgens wenigstens einigermaßen in der Lage ist, weiterzuarbeiten. Er leidet am ganzen Körper, aber er hat keine Wahl, er kann es sich nicht leisten, richtig zu entspannen, wochenlang am Meer herumzuliegen, leckere Cocktails zu trinken, am bunten, interessanten, schönen Leben teilzunehmen und etwas wirklich zu genießen, mit allen Konsequenzen. Nein, er ist ein kranker, dicker Hund, der sich ein Leben lang quält und irgendwann, sicherlich recht früh, sterben wird und dann ist es das für immer gewesen mit ihm.

Hier passiert nichts. - Ein Junge fällt hin und weint. Seine Mutter kommt und tröstet ihn mit einer herzlichen Umarmung, einem Kuss auf die Stirn, einem beschwichtigenden Lächeln und einer lieben, warmen Stimme: "Nichts passiert." So spricht auch mein Herz zu mir: "Nichts passiert. Nichts passiert."  Vielleicht ist es, weil es den meisten Menschen die diesen Planeten bewohnen, schlechter geht als mir, gar nicht nötig, etwas mit meinem Leben anzufangen. Der Sinn des Lebens ist, sich so sehr zu langweilen, dass man Lust hat, mitten auf die Straße zu kacken.

Der Esel. - Ich kann mir keine Bilder von Leuten anschauen ohne ihre Frisuren seltsam zu finden. Eine Frisur zu haben ist seltsam, aber unvermeidbar. Ich werfe mein Lachen wie Tannenzapfen auf mein himmelblaues Kissen und steh auf. Ich mag es wie meine Worte und mein Ichgefühl schräg nach links gekämmt werden von meinen Schwestern Dxm und Lsa. Gemütliche Monster ohne klare Funktion. Ich genieße es mir vorzustellen, wie verächtlich meine Mutter von oben auf mich schaut. Ihre dunklen Augen voller Unverständnis, sie wirft mir irgendetwas vor, sie kann es nicht leiden, wenn ich etwas mache, was ihren kleinen Horizont übersteigt. Ich knirsche mit den Zähnen. Du klingelst an der Tür. Ich mag deine süße, zarte Beschränktheit, sie bildet einen schönen Kontrast zu meiner bitteren, groben Beschränktheit, bis ich die Lust habe, eine Flagge zu hissen, die alle Leute der Stadt daran erinnert, dass die Realität dem Gehirn weit überlegen ist. Ich bin viel zu tief und bodenlos, um von einer Wahrheit oder einem Wahn gefüllt werden zu können. Gleichgültiges Zittern hält mein Leben im Reinen. Die Illusion etwas  verstanden zu haben, ist nicht nötig. Hier unten kann man keine Fragen beantworten, deshalb ist es so gemütlich. Hier ist alles verschwommen und der Beat ist stramm und munter und eine schwere Coolness kommt, sie erhebt mich, ich kann mit allem was anfangen, weil mir alles egal ist. Ich bin ein übermütiger Esel, der mit hundert Sachen einen Berg runter rennt. Das ist nicht nur ein Text.

Das Selbst steht der Selbstwahrnehmung im Weg. Deswegen verändert die Vorstellung, wie der Rausch von außen aussieht, den Rausch. Lass die jungen Schwäne in den warmen Sonnenuntergang schwimmen. Man muss sich gegen die Zukunft abschotten und auch gegen die Vergangenheit, denn ich habe manchmal das Gefühl, so zu reden und zu gucken wie meine Mutter. Wir müssen alles tun, was gut für mich ist. Das Schreiben ist, als läge ich auf der Hängematte und ließ die Füße zappeln, das Schreiben findet ganz weit unter mir statt und sobald ich mit schreiben aufhöre, fängt der Text an, sich von mir zu distanzieren. Ich schicke lange, stabile Sätze an den Horizont, ich sehe sie in Zeitlupe an der Zimmertür abprallen. Ich mag es, dass das Zimmer so hell ist, es gibt mir das Gefühl, in Sicherheit zu sein.

Ich schreibe, dass ich schreibe. Mein Schreiben lässt sich von mir kraulen, es lässt sich bürsten wie ein schwarzer Elefant sich bürsten lässt, er kommt auf mich zu und lässt sich bürsten, es ist mir erlaubt, ihn zu bürsten. "Ich mag dieses aktive, kribbelige Durchhängen, während Andere um ihre Arbeitsplätze besorgt sind.", sage ich wie ein Nachtwächter, der mit einer plüschigen Taschenlampe das Kaufhaus sicher macht. Diese Angst, völlig loszulassen... Man schreibt nur, wenn man nicht loslassen kann, man macht nur Musik, wenn man nicht loslassen kann, man steht jeden Morgen nur auf, weil man nicht loslassen kann.

Sie schwächen uns, weil sie uns Rechtfertigungen, Erläuterungen, Grundbekenntnisse abringen. Wir werden stärker, wenn wir uns nicht mehr definieren, festlegen, verständlich machen wollen. Ich verabschiede den Gedanken mit einem festen Händedruck. Der Tag ist noch jung, flexibel, gemütlich.

Regierung und Opposition kann den selben Musikgeschmack haben, ohne Lust zu haben, ihre Ansichten aufzugeben. Sie sehen anders, obwohl sie auf der selben Welle der Empfindungen schwimmen.

Schönheit kann es nur im Rückblick geben. Man kann unmöglich in etwas Schönes hier und jetzt eintauchen, man kann sich im Rückblick nur wünschen, dass man in sie eingetaucht wäre. Diese Reue macht sentimental und die Sentimentalität lädt die Vergangenheit mit positiven Schwingungen auf und deshalb erscheint sie wert, erzählt zu werden. Als Erwachsner könnte man nur Schönheit empfinden, wenn man vergisst, dass man ein Erwachsener ist, doch man kann es nicht vergessen, man kann sich nur vorstellen, was man als Kind empfunden hätte. Cannabis könnte helfen kurzfristig "mit Leib und Seele" zu vergessen, dass man kein Kind mehr ist.

Meine Hände schreiben nicht Buchstaben, sie versuchen mir zu entkommen, sie fühlen sich beobachtet: "Vielleicht finden wir, indem wir diese Knöpfe drücken, zu dem Schalter, der uns von deinem Körper trennen kann."

Ein Markt ebnet Möglichkeiten ein, in dem er zufällige Moden verfestigt, die ohne ihn gar nicht erst entstanden wären.

2

Wenn es keine Karriere gibt, die dich auf Kurs hält: versuch nicht lustig oder besonders niveauvoll zu sein. Steh hinter irgendeiner Sache oder stoße alles von dir ab, aber tu es nicht, um Andere von dir zu beeindrucken. "Ich habe keine Lust, Euch weiter zu unterhalten." So musst du stolz die Nase hoch tragen und hoffen, dass dich die Menschen, die du liebst, niemals ernst nehmen werden.

Das echte Leben spielt sich nicht im Bereich der Notwendigkeiten ab, sondern dort, wo es besonders gemütlich oder besonders aufregend oder besonders seltsam ist.

Charakterzüge entstehen, wenn man lang genug andere Menschen parodiert. Charakterzüge entgleisen, wenn man aufhört, irgendwen zu parodieren.

Je länger ich sitze, desto dümmer komm ich mir vor. Das Zimmer ist so klein und seine Wirkung auf mein Herz ist verwandt, vielleicht identisch mit dem zarten, dumpfen Schmerz, den meine zwei Daumnagelbett-Entzündungen erzeugten. So pervers es ist, sich selbst die Daumen abzuhacken, so pervers ist es, in diesem Zimmer zu sitzen und diesen Satz zu schreiben. Alles was ich der Welt hinterlasse, kommt aus meiner Unfähigkeit, über meine Bedeutungslosigkeit und Einsamkeit zu weinen oder zu lachen.

Ich habe nichts dagegen, wenn man meine Bücher als Bewerbungen für das Amt des Bundespräsidenten versteht.

Wenn ich wirklich was zu geben hätte, denke ich mir plötzlich, würden meine Freunde viel näher bei mir sein und wir hätten schon irgendwas Tolles mit uns gemacht; aber jeder sitzt im kalten, stinkigen Fett seiner eigenen, ordinären Depression (das Ordinäre macht es natürlich noch schlimmer) und holt sich auf seine Verlassenheit und Ratlosigkeit und Zukunftsabwesenheit einen runter. Ich hasse die Arroganz der depressiven, schweigsamen Nichtsnutze. Sollen sie doch fröhlich und laut ihr Nichts, ihre Angst, ihre gescheiterte Adoleszenz in falschen, übertriebenen Metaphern durch den grauen Himmel peitschen.

Es fühlt sich an, als würde mein Trotzen mir Gehirnsubstanz abtragen, besonders in dem Areal, wo mein Bedürfnis nach Würde und Selbsterhaltung produziert wird. - Ich saß eben eine halbe Stunde im Bett und hab die schwarz-gestrichne Wand angeschaut und wirklich nichts zu geben. Ich kann dem Gedanke, dass meine Freunde langsam einknicken, nichts entgegensetzen. Ich kann nur mein halbtotes Gesicht in die Welt halten.

Ich kann nicht viel mehr als diesen kleinen Stich wahrnehmen, der hinter meinem rechten Auge sitzt und all meine Hoffnung und Klarheit verbiegt und verzerrt, die ich mir mit meinen Texten versucht habe aufzubauen. Alles was ich noch sagen kann ist, dass ich mich vor meiner Hoffnung schäme, dass der Frühling irgendeine Besserung bringt.

Vielleicht hat man es geschafft, wenn man sich zu einem heiteren Lied umbringen könnte, mit einem Lächeln im Gesicht, als wäre das Leben nur eine nette, kleine Anekdote, die niemand erfahren muss.

Die Intensität des Lebens kann panisch machen, wenn es keinen Grund gibt, mit ihr etwas anzufangen. Die Wohnung macht seltsame Geräusche und manchmal glaub ich, es hat geklopft. Der Gedanke, dass gleich jemand im Türrahmen steht, den ich nicht kenne und der Augen hat, die mir etwas sagen sollen. Ein sehr schwüler Aprilabend. Meine Asexualität grenzt an Todes-Obsession. Mein Gehirn schiebt Leben und Leere beiseite - mein Ich spuckt auf alles drei. Ich habe Lust mir eine Verletzung anzutun, die mein Leben in eine ernste Angelegenheit verwandelt. Ich bin dem Zerspringen so nah und fern wie einer absoluten Selbsterkenntnis: die Zersetzung des Ichgefühls wollen und den Verlust der Selbstkontrolle fürchten. Zwischen meinen Möglichkeiten herumsitzen und Zeit vertrödeln. Panisches Nichtstun. Ekstatische Langeweile. Nordkorea zielt mit Atomraketen auf Amerika, religiöse Fanatiker morden sich durch die Wüste bis an unsere Haustür ran, jeder glaubt was, jeder hofft was. An jedem Menschen interessiert mich der Punkt, ab dem er sämtliche Ideale aufgeben und etwas Schreckliches tun würde. Diese Gereiztheit nach einer durchwachten, alkoholisierten Nacht unter Menschen ist wunderbar. Ich liebe an extremen Stimmungen, dass ich sie nicht anzweifeln kann. Wenn ein Mord endlich genau so infrage kommt wie ein echter Kuss.

3

"Na dann verschwinde ich eben von hier.", tröstet sich jeder Selbstmörder. Ich sitze am Rand eines Traumes und betrachte lüstern die Kehlen vorbeijoggender Hipster. Ich schwöre, dass Gras etwas Gutes ist, weil auch Träume etwas Gutes sind. Wahrer Widerstand muss im geheimen stattfinden. Für die wirkliche Subversion darf es keine Manifeste geben. Die Kunst hat die Aufgabe, den geheimen Widerstand zu euphorisieren.

Die Euphorie, die kommt, wenn man erkennt wie komplex und unsicher alles ist, wie schwer sich alles formulieren und bewerten lässt, erinnert uns an die Euphorie unserer Kindheit, in der wir verwirrt und hypersensibel durch die Straßen und Wälder gestolpert sind. Es ist so kalt hier, obwohl die Heizung an ist, das Tippen tut weh. Irgendwas hab ich falsch gemacht.

"Wem passe ich meinen Schreibstil an?" frage ich mich wie ein Junge im dunklen Märchenwald, der sich verfolgt fühlt.

Die Tatsache, dass das Leben endlich ist, ist nervig, denn es könnte ja auch ganz anders sein. Ärgerlich wie den Schlüssel nicht finden zu können, der vorhin noch auf dem Tisch lag, so ärgerlich, dass man schon gar nicht mehr richtig daran glauben will.

Indem ich mich zu nichts bekenne, versuche ich mich aus der Zeit zu verdrücken, einen Bogen um die Stadt, um das Universum zu machen. (Wer nicht losläuft, kann nicht ankommen.)

Ich kann ncht wahrhaben, dass mein Bewusstsein nur ein Produkt von Materie ist. Der Mensch ist ja bloß ein komplizierter Gegenstand, der sich darüber bewusst ist, was er ist: Materie, die eine Egoperspektive entwickelt hat. Wie kann man auch nur eine weitere Bewegung machen, wenn man herausgefunden hat, was man ist? Ich spüre, dass das Licht, das von draußen über meine Tastatur streicht und gegen die Brandung meines Zimmerlichts kracht, Abendlicht ist.

Geistige Instabilität ist ein aufregender Tanz der Wirklichkeit mit der Möglichkeit.

"In der Wirklichkeit kann ich mich nicht über die Wirklichkeit hinwegtrösten" - die Parole jeder alternativen Lebensform.

So wie ich auf bestimmte Glücksfälle nicht stolz sein kann, kann ich mir auch bestimmte Unglücke nicht verübeln - so erst habe ich überhaupt einen echten Zugang zu mir.

Die Überzeugung, dass das Leben eine gerade Linie ist, deprimiert mich wie das Todesurteil einen Unschuldigen deprimieren soll.

Schuldgefühle? Vergleichbar mit einem Liter Blut trinken.

"Ich bin grob und gerade, weil es am einfachsten ist", sagen und sitzen die einfachsten Menschen auf einem einfachen Thron und lachen.

Jenseits der Manie: Wahnsinn. Jenseits der Depression: Tod.

Je tiefer ich den Wahnsinn schraube, desto mehr will er in Tod geerdet sein.

Wer Selbstmord begeht, hat die Metapher nicht verstanden.

Lust + Schmerz - Angst = Widerstand

Mein Plan, einen Horrorfilm zu drehen, der sich mit dem Erwachen aus bunten, wilden Träumen in den erschreckend-sterilen, bösen Alltag befasst. Plötzlicher Schauder und Todesangst bei Routinen, ritualisierter Freundlichkeit. Hypersensibel und wehmütig in den leeren Alltag, dessen Wände kalt und dessen Sitzgelegenheiten hart sind. Der Film muss alles Genormte, Schablonisierte, Berechenbare, Ordentliche als Bedrohung, als Terror, als Vorstufe von Wahnsinn und Tod darstellen.

Lieber noch werde ich verachtet als von Leuten, die mich nicht umarmen würden, "interessant" gefunden zu werden. Ein banaler Gedanke, aber ich kaue ihn gerade und dieses Kauen ist anstrengend, aber führt zu nichts, vermutlich macht es mich nur ein bisschen älter und unbestechlicher. Irgendwann kann ich mich selbst nicht mehr mit Hoffnung bestechen - dann könnt ihr mit mir machen was ihr wollt...

Die Realität und die Welt der Worte sind voneinander abgetrennt.

Es lohnt sich nur über unangenehme Dinge ernst zu reden, denn dadurch entkräftet man sie. Die angenehmen Dinge tragen sich von selbst.

Selbstsicherheit ist immer eine Illusion, auf die man verzichten muss, wenn man sich für das Wesentliche interessiert. Sprache bekräftigt diese Illusion, wenn sie nicht schlickfattendubi. Das Keuchen des Laptops macht sich über all meine Gedanken lustig, steht im Weg wie ein bösartiges Kind, das mich nerven will.

Meine empfindlichen Ohren sind von Langeweile betäubt. Mein Telefon hat keine Lust zu klingeln, umwickelt mich mit Stille die nach frischgewaschener Wäsche riecht. So gern würd ich mich mit dir in einen Zwischenraum absondern. Ich warte darauf, dass das Telefon klingelt. Dieses Warten macht etwas in mir müde, damit etwas anderes sich durchsetzen kann: ein bitterer Zynismus, der mich von allem isoliert. Indem ich diese Isolation mich erdrücken lasse, vertiefe ich mich in meine einzige Existenz, gelange ich zum Kern meiner letzten Möglichkeiten.

Der Gedanke daran, dass ich mich in einem Weltall befinde, wird mich irgendwann vor allem, was mich umgibt, zurückschrecken lassen.

Wer sich zu stottern schämt, wer nicht in Interjektionen und Imperativen vom Frühling reden will, sollte keinen experimentellen Jazz hören.

4

Erniedrigt von jeder Situation, in der ich nicht in der Lage bin, etwas zu schreiben, so als würde ich, wenn ich nicht schreibe, auch nicht existieren.- "An wen könnte ich meine Texte anpassen?" - leuchtet eine sternenklare Melancholie aus meinem Gesicht.

Solang ich nicht weiß, dass das, was ich schreibe, gelesen wird, kann ich nur zeigen, was ich für einer bin, damit ihr abschätzen könnt, was aus mir werden wird, wenn ich mal berühmt bin. Wie führt er sich in der Öffentlichkeit auf? Das ist mit die erste Frage, die man sich stellt, wenn man sich als Verleger auf einen unbekannten Autor einlässt. Ich bin ein Mensch ohne Rucksack, mit verschwommener Vergangenheit. Es ist noch ein Glas Apfelmus und eine Packung Sonnenblumenkerne da, die muss ich jetzt aufmachen, obwohl mein unsichtbares Publikum immer leiser werdend Anlauf für einen brüllenden, giftigen Wutausbruch zu nehmen scheint. Ich stecke in keinem handfesten Beruf, ich erfülle keine Wünsche, ich spiele nicht mit Eurer Phantasie. Ich schreibe nicht durch die Brille eines Studenten, eines Künstlers, ich bin kein Gelehrter, ich bin nicht der Sohn irgendeines einflussreichen Manns, ich bin für jeden erreichbar, während ich jeden Tag alle Unvermeidbarkeiten von oben bis unten durchlebt, mich im Kreis drehe, um mich zu vertiefen und zu sehen wie die Sprache zerfällt: "Hier habt ihr meine Ratlosigkeit!"

Meine Lederjacke versteckt meine Verzärtlichung, meine Biegbarkeit, meine Instabilität. Bloß nicht zu viel blicken lassen.

Das Leben kann auch bloß ein Rummel sein, wenn du magst!

All meine Texte sind als Hintergrundmusik zu verstehen, die das Gespräch, dass der Leser während des Lesens mit sich selbst führt, beeinflussen soll. Ich will nur ein bisschen abfärben, keinesfalls von irgendwas überzeugen. Will man es wagen, mich in die Manege zu lassen? Können Krimi-Fans reale Morde kunstvoll finden? Ich kann mir vorstellen, dass ich die letzten Jahre meines Lebens im Gefängnis verbringe und ein letztes Buch schreibe.

Das Leben determiniert die Art des Sterbens. Du kannst ja mal so leben, dass du das meiste aus deinem Sterben herausholen kannst. Sammle genug Drogen-Erfahrungen, damit du weißt, unter dem Einfluss welcher Substanz zu sterben möchtest, wenn es soweit ist.

ekifft sein heißt: in einem wachen Körper schlafen. Du bist eine Negativversion eines Schlafwandlers. Du wachschlummerst. Du bist ein Träumender in einer Wachwelt, während du im gewöhnlichen Traum ein Träumender in einer Traumwelt bist. Ich würde gern meine Texte zerschnibbeln wie ein schlafloses Mädchen ihre Comic-Hefte zerschnibbelt. Führe ich nicht seit Jahren nur einen repetativen Monolog vor zukünftigen Verlegern, deren gegenwärtige Gesichts- und Sprachlosigkeit mir das Gefühl gibt, hinter Gespenstern herzusein? Oder werde ich von ihnen verfolgt? Wer ruft nach mir? Vielleicht bin ich derart unbrauchbar, dass sogar meine Unbrauchbarkeit unbrauchbar ist. Das wäre wirklich mein Ende. Die Ungewissheit, die mein Zerdenken mir freigeschaufelt hat, will keine Handlung durchlassen, die nicht aus sich heraus glüht wie ein sterbender Stern. Auf seinem Sterbebett hat mein Onkel mir gesagt: "Du hast im Leben nur eine Aufgabe: Leute zu finden, die es dir erträglich machen, ein Versager zu sein, Leute mit denen es viel mehr Spaß macht, mit Pauken und Trompeten zu versagen."

Ich spüre, wie mein Bedürfnis, zu entscheiden ob der von Cannabis geweitete Zustand oder der von Nüchternheit auf Gewohntes konzentrierende Zustand als der Hauptstrom des Lebens gelten soll, von mir davonflattert. Aufgeregtes Nirgendsein. Ich hab ein gelbes Gesicht und falle wie ein lachender, plantschwütiger Hund mit dem Gesicht in einen Eimer Götterspeise. Frei von der Fähigkeit zu unterscheiden, was normal ist und was nicht, befindet man sich in einem permanenten Rausch. Ich turne auf meinem Fleisch, auf meinem Gehirn herum wie eine fiebrige Maus auf einer Kugel Spaghetti. Du musst entscheiden, nach dem Vorbild welchen Regisseurs du deine Tage leben willst. Leg dich doch einfach auf den Boden, wenn die Bauarbeiter kommen, wie ein Kind dass nicht die Tür aufmachen will, weil es das Bad überflutet hat und nicht weiter weiß. Kooperiere nicht! Öffne nicht die Tür! Verliere jedes Verständnis für die Anderen! Es lohnt sich nicht zu verstehen, was die Anderen wollen. Wenn du nicht einsehen kannst, was hier vor sich geht, bist du erst wirklich bei deinem Körper und deinem Geist. "Die Polizei wird mich schon irgendwo hintragen, wo es WLAN gibt.", flüster ich mir ein Easylistening-Jazz-Grinsen in mein Gesicht.

Alles, was man von sich sagen kann, lohnt, manisch vertieft zu werden. Wenn man lang genug drauf kaut, fängt es zu blühen an. Dein Gehirn ist eine gigantische Sammlung von Gedanken, die Handlungen auslösen können.

"Irgendwann musst du dich stellen!", dröhnt es, schwankt es, der Atem zieht Leben in die Puppe und immer noch kein Sinn für das Ernste, komische Gesten in die Luft kraxelnd, es guckt ja niemand zu. Meines Selbst müde, steige ich in die Treppe herab. Was kann schon so verkehrt sein, mal wirklich ganz unten anzukommen? Ist es oben lebenswerter?

Ich schichte viele Ich-Fiktionen-Folien von mir in meinem Hirn übereinander. Die Durchsichtigsten kommen nicht mehr zur Geltung, wenn mein Gehirn erleuchtet ist. - Man sollte nicht für dies abstrakte "Ich" sprechen, sondern für das konkrete Gehirn im Kopf. Unser Gesicht verhindert, dass wir uns den anderen richtig nähern können.

Ein aufregendes Leben ist genau so gerechtfertigt wie ein langweiliges Leben. Ich niese über den Gedanke, dass mein Taumeln nur eine Folge meiner Einsamkeit ist.

Seltsam. Steuert meine Ich-Idee meine Finger und Hände? Was in diesem Körper kontrolliert seine Bewegung? Was in ihm schreibt diese Frage? Was in ihm akzeptiert die Musik und was in ihm hat Angst in die Musik zu stürzen oder in einen paranoiden Zwangsgedanken? Welches Lied meint es ehrlich mit mir? Ornette Coleman ist gestorben, ein schader Tag.

Wenn man nicht spüren kann, ob die Zeit zu schnell oder zu langsam vergeht, steckt man in der Zeit fest und altert nicht.

Ich weiß, dass mir Einiges bevorsteht, aber ich bin zu entspannt und skeptisch, um wahnsinnig zu werden.  Auf der Schaukel am Rand meines inneren Zauberwaldes schaukeln die schwarzen Schatten der Kinder, den die Straßenlaternen aus einer anderen Welt werfen wie einen Löffel voll Honig.

Mein Wunsch, ein hartes Lächeln gegen den weichen Ernst der Wahrheit zu entwickeln, ist der beste Freund, den ich dieses Jahr gefunden habe. Bald werde ich den Mut haben, meinen Eltern zu schreiben, dass ich sie nicht mehr liebe.